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des Reiches hielt man es für geboten, diese Uebung zum Reichsgesetz zu
erheben und ebenfalls zu bestimmen, daß ein Deutscher sein Bürgerrecht
verliere, wenn er zehn Jahre lang sich im Ausland aufgehalten habe, ohne
sich in die Matrikel des zuständigen deutschen Konsuls haben eintragen zu
lassen oder ohne im Besitz gültiger deutscher Ausweispapiere gewesen
zu sein.
Daß man eine solche Vorschrift zum Reichsgesetz erhoben hat, lag
wohl an drei Gründen. Erstens wollte man durch den Zwang zur Ein-
tragung in die Matrikel oder zur Beschaffung von Ausweispapieren den
Bestand an Reichsdeutschen im Ausland seststellen und überwachen.
Zweitens wirkte wohl noch immer die alte Anschauung, daß der Aus-
wanderer im Grunde mit Zweifeln betrachtet werden müsse und als Aben-
teurer gelte, der nicht, wie das schon genannte Sprichwort sagt, sich inner-
halb des Heimatlandes redlich ernähren wolle. Drittens wirkte vielleicht
auch der Gedanke mit, eine solche Vorschrift würde abschreckend wirken und
die insbesondere der Landwirtschaft schädliche Abwanderung von Arbeits-
kräften einschränken können.
Die Entwicklung hat gezeigt, daß man sich damals nach allen diesen
Richtungen hin geirrt hat, daß § 21 jenes Reichsgesetzes weder von der
Auswanderung abgehalten noch zur Feststellung der Reichsdeutschen im
Auslande beigetragen hat, daß er vielmehr Jahrzehntelang von dem ge-
samten Auslandsdeutschtum als eine Schmach betrachtet worden ist.
Die vielen Bemühungen, diesen § 21 zur Aufhebung zu bringen, haben
endlich zum Ziele geführt, und im Jahre 1913 ist ein neues Staatsbürger-
gesetz erlassen worden, das den § 21 nicht mehr enthält.
Neben dieser Gesetzesvorschrift ist es aber noch eine andere gewesen,
die, wahrscheinlich in noch höherem Maße, dazu beigetragen hat, unserer
Staatsgemeinschaft wertvolle Bestandteile zu entziehen. Unser Staatsrecht
kennt die Möglichkeit einer Entlassung aus der Staats-
angehörigkeit. Die Entlassung muß jedem auf seinen Antrag erteilt
werden, soweit es sich nicht um jemand handelt, der im wehrpflichtigen Alter
steht. Dieses beginnt mit dem vollendeten 17. Lebensjahre. Nun sind, seit-
dem das Gesetz von 1870 gilt, in zahllosen Fällen junge Deutsche kurz vor
Beginn des 18. Lebensjahres auf den Antrag ihres Vaters oder Vormundes
aus ihrer Staatsangehörigkeit entlassen worden. Nach der Gestaltung des
Gesetzes mußte solchen Entlassungsanträgen ohne weiteres entsprochen
werden. Weitaus die meisten ehemaligen Deutschen, die jetzt staatlos sind,
stammen her aus der Zahl derjenigen, die in solcher Weise auf den Antrag
ihres Vaters oder Vormundes in einem Alter die Reichsangehörigkeit ver-