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Bevor wir zu den einzelnen Gesetzen übergehen, müssen wir uns aber
noch aus dem Grundgesetz des Deutschen Reiches, der Reichsver-
fassung, die Gewißheit holen, daß nicht etwa dort ein allgemeiner
Schadenersatzanspruch gewährt worden sei. Aus der Verfassungsurkunde
könnten nur der 6. Absatz des dritten Artikels und Artikel 58 in Frage
kommen. Artikel 3 Absatz 6 lautet:
„Dem Ausland gegenüber haben alle Deutschen gleichmäßig An-
spruch auf den Schutz des Reiches.“
Aus dieser Versprechung darf man wohl einen Schadenersatzanspruch her-
leiten, wenn das Reich seiner Schutzverpflichtung nicht nachkommt. Es wird
aber erstens einer hierauf gegründeten Schadenersatzklage voraussichtlich
entgegengehalten werden, der Rechtsweg sei hier unzulässig. Die durch die
Reichsverfassung begründete Pflicht des Deutschen Reiches, seine Ange-
hörigen im Ausland zu schützen, berühre die Staatshoheit, begründe aber
keine vor deutschen Gerichten klagbare Verpflichtung. Es darf als ein an-
erkannter Grundsatz deutschen Rechts gelten, daß alle Maßnahmen, welche
nicht die Verwaltung, sondern die Staatshoheit betreffen, dem Rechtsweg
entzogen sind. Selbst wenn aber aus der genannten Bestimmung der Reichs-
verfassung geklagt werden könnte, so würde man mit ihr gerade für den
Kriegsschaden nichts anfangen können, denn man würde jedem Anspruch
damit begegnen können, daß ja das Reich gerade jetzt im Kriege zu Lande,
zur See und in der Luft alle nur erdenkliche Mühe und Kraft aufwende, um
das Volk vor dem Ansturm seiner Feinde zu schützen.
Für die Kriegsschäden könnte aus der Verfassung weiterhin nur noch
der Artikel 58 herangezogen werden. Er lautet so:
„Die Kosten und Lasten des gesamten Kriegswesens des Reichs
sind von allen Bundesstaaten und ihren Angehörigen gleichmäßig
zu tragen, so daß weder Bevorzugungen noch Prägravationen ein-
zelner Staaten oder Klassen grundsätzlich zulässig sind. Wo die
gleiche Verteilung der Lasten sich in natura nicht herstellen läßt, ohne
die öffentliche Wohlfahrt zu schädigen, ist die Ausgleichung nach den
Grundsätzen der Gerechtigkeit im Wege der Gesetzgebung festzu-
stellen.“
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß diese Vorschrift der Reichs-
verfassung nicht geeignet ist, Ansprüche, und vor allem klagbare Ansprüche
auf Kriegsschadenersatz für den einzelnen Fall zu begründen. Vielmehr ist
hier lediglich ein Grundsatz ausgesprochen, der so allgemein gefaßt ist, daß
er sich eigentlich von selbst versteht, mit dem man daher im Einzelfalle nichts
anfangen kann. Immerhin ist es für die kommende gesetzgeberische Rege-