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an beweglichem und unbeweglichem Eigentum, welche nach den Vor-
schriften dieses Gesetzes nicht oder nicht hinreichend entschädigt
werden, wird der Amfang und die Höhe der etwa zu gewährenden
Entschädigung und das Verfahren bei Feststellung derselben durch
jedesmaliges Spezialgesetz des Reichs bestimmt.“ · «
Eine freie Kommission von Reichstagsabgeordneten, die den Entwurf
zwischen der ersten und zweiten Lesung beraten hatte, ist der Schöpfer dieser
Bestimmung, die weder in dem preußischen Kriegsleistungsgesetz, noch in dem
Regierungsentwurf von 1873 enthalten war. Im Reichstag hat man sich
lebhaft dagegen ausgesprochen'), „solche Versprechen für die Zukunft, solche
Wechsel, von denen man nicht weiß, in welcher Höhe man sie einlösen kann“,
in einem Gesetz zu geben. Wenn man aber auch damals betont hat, daß es
von dem Schicksal des künftigen Krieges abhängen werde, wie weit über die
Vorschriften des Gesetzes von 1873 hinaus Entschädigungen gegeben und
Härten ausgeglichen werden könnten, so hat sich doch schließlich die Mehr-
heit des Reichstages auf den Standpunkt gestellt, es sei „immerhin ein Trost,
wenn wenigstens die Hoffnung eröffnet wird, daß das übermaß von Lasten
seinerzeit werde gemildert werden“.
Mag auch der § 35 nicht nur als ein solcher Trost aufgefaßt werden,
sondern als eine, wenn auch nicht gerichtlich erzwingbare Verheißung des
Gesetzgebers:), so wird man ferner aus § 35 auch eine Bestätigung der
Rechtsauffassung entnehmen können, daß über das Gesetz von 1873 hinaus
Ansprüche auf Kriegsschadenersatz nicht gegeben sind. Diese Auffassung wird,
wie schon dargelegt, auch dadurch bestätigt, daß man im Jahre 1871 mit den
bereits erwähnten vier Gesetzen für die besonders auffallenden Kriegs-
schadenfälle Beihilfen gewährt hat unter Ausschluß eines Rechtsanspruchs.
Besonders für das Auslandsdeutschtum ist es wichtig, ob das Kriegs-
leistungsgesetz von 1873 auch für die feindlichen Gebiete gilt, die während
des Krieges in die Hand des Deutschen Reiches gekommen sind, so insbe-
sondere für Belgien, Russisch-Polen und die Ostseeprovinzens). Die Frage
wird zu verneinen sein, wenigstens vom reinen Rechtsstandpunkt aus. Nach
§ 1 des Gesetzes über die Kriegsleistungen ist dieses Gesetz ausdrücklich auf
das Bundesgebiet beschränkt, d. h. auf diejenigen Gebiete, welche in der
Reichsverfassung oder in späteren Gesetzen ausdrücklich als Gebiet des
1) Sitzungsberichte 1. Leg.-P. I. Session. 1873. S. 946.
2) In den Erlassen für die einstweilige Regelung der Kriegsschäden in Ost-
preußen, Westpreußen und Elsaß-Lothringen wird ausdrücklich auf § 35 des Kriegs-
leistungsgesetzes Bezug genommen. S. die im Anhang abgedruckten Bestimmungen.
3s) Die besonderen für diese Gebiete erlassenen Bestimmungen sind im Anhang
verzeichnet.