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der durch diese Kriegsgesetzgebung geschädigt worden ist, mit Ansprüchen
hervortreten wollte. Opfer haben wohl alle bringen müssen, und ein Opfer
bringen, heißt nicht, für die dadurch erlittenen Schäden alsbald einen Ersatz
zu begehren, sondern Opfer bedeutet die endgültige Hergabe eigener
Werte für das Wohl des Ganzen. Ein Teil des Kriegsschadens muß eben
von dem einzelnen getragen werden. Es ist undenkbar, daß überhaupt jeder
Kriegsschade auf dem Konto des einzelnen Bürgers völlig getilgt werden
könnte. Die Ermittlungen würden sich ins Lferlose verlieren, und diese
Lferlosigkeit einer großen Zahl von Ansprüchen auf Kriegsschadenersatz be-
wirkt es, daß vielfach die ganze Frage des Kriegsschadens in ihrer Bedeu-
tung nicht richtig gewürdigt wird. Die #bertreibung verführt dazu, den
wesentlichen Kern der Sache mit dem unbegründeten Abermaß zu verwerfen.
Daß jemand Schaden erlitten und Opfer gebracht hat, begründet sicher noch
keinen Ersatzanspruch. Rechtlich schon gar nicht, aber auch nicht vor dem
sittlichen Bewußtsein reifen staatsbürgerlichen Sinnes. Von Kriegsschaden-
ersatz kann erst dann die Rede sein, wenn entweder ein besonderes Opfer für
besondere Interessen der Kriegführung vorliegt oder wenn der Schade so
schwer ist, daß der einzelne aus eigener Kraft sich von ihm nicht wieder er-
holen kann. Dies werden die beiden Grundgedanken sein, welche bei der
künftigen Abgrenzung des zu ersetzenden Kriegsschadens den Ausschlag geben
müssen.
Nicht unerwähnt dürfen bleiben die Zahlungsverbote, welche
das Deutsche Reich gegenüber den feindlichen Staaten erlassen hat. An sich
verstoßen sie gegen das Haager Abkommen über den Landkrieg, das in
Artikel 23, h der Landkriegsordnung verbietet:
„Die Aufhebung oder zeitweilige Außerkraftsetzung der Rechte
und Forderungen von Angehörigen der Gegenpartei oder die Aus-
schließung ihrer Klagbarkeit.“
Die deutschen Zahlungsverbote gegen England, Frankreich und Ruß-
land sind Vergeltungsmaßregeln. England war die erste Macht, die
gegen Wortlaut und Geist des Haager Abkommens den Zahlungs-
verkehr gegen Deutschland hin sperrte. Frankreich und Rußland glaubten,
folgen zu müssen. So alt, wie das Recht, ist auch der Grundsatz,
daß dem Rechtsbruch gegenüber Notwehr erlaubt ist. So sind an sich die
Vergeltungsmaßnahmen des Deutschen Reiches gegenüber den völkerrechts-
widrigen Handlungen unserer Feinde als Notwehr nicht rechtswidrig.
Gleichwohl könnte man sagen, das Deutsche Reich müsse, wenn es solche Not-
wehrhandlungen vornehme, die eigenen Bürger entschädigen, sofern sie unter
1½½ 50 r* zuus, 3 43 — 1914, 443, 542, 550 (Frankreich); 1914,
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