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3. Ansprüche gegen Angehörige feindlicher Staaten.
Wie Rechtsansprüche zwischen Angehörigen verschiedener Staaten
zu regeln seien, die Summe solcher Vorschriften hat man bisher „Inter-
nationales Privatrecht“ genannt. Man hätte es vielleicht besser Völker-
recht nennen können, und dasjenige, was man sonst mit Völkerrecht be-
zeichnet, als Staatenrecht kennzeichnen sollen.
Auch dieser Teil des Rechtes der Völker, der den Verkehr der ein-
zelnen Bürger miteinander regeln soll, ist noch ganz im Werden. Zwar ist
er schon sehr viel fester ausgebildet, als das Staatenrecht, zwar hat er in
einer großen Zahl von Staatsverträgen und innerstaatlichen Gesetzen feste
Anhaltspunkte gewonnen, auf denen sich der Bau eines die ganze Welt
umspannenden Verkehrsrechtes aufrichten kann, es fehlt aber auch dieser
Rechtsordnung noch allenthalben an Kbersichtlichkeit und an bestimmter
Form. Der Krieg, der auch hier manche Rechtswidrigkeit hat entstehen
und manche Rechtlosigkeit hat beobachten lassen, wird letzten Endes doch
die Entwicklung dieses Rechtsgebietes unendlich fördern, vor allem des-
halb, weil er allen Völkern der Welt klar vor Augen führt, wie groß der
Wert des Rechts für das Leben sei.
Gerade im Bereich des Kriegsschadens haben sich hier besondere
Schwierigkeiten und neue Aufgaben erhoben.
Während des Krieges hat sich die Gesetzgebung aller kriegführenden
Staaten naturgemäß in der Hauptsache nur mit dem befaßt, was drin-
gend war und sofortige Regelung verlangte. Mit Friedensschluß wird
eine neue große Aufgabe an uns herantreten. Es wird sich nicht nur
darum handeln, die für den Krieg eingerichtete Rechtsordnung in den
Friedensstand wieder hinüberzuführen, sondern es werden infolge des
Krieges ganz neue Tatbestände zu regeln sein, für die das bisherige
Recht nicht ausreicht. Das betrifft vor allem die Rechtsbeziehungen
zwischen den Angehörigen verschiedener Staaten: Einfluß des Krieges und
der Verkehrsstockungen auf Lieferungsverpflichtungen, Verzug und Rück-
trittsrecht, Urheberrechte, insbesondere Patente und Markenschutz, Ver-
sicherungsrecht und in weitem Amfange auch das Recht der Bank-- und
Börsengeschäfte.
Wenn alle diese Rechtsfragen, die nach Beendigung des Krieges im
Verkehr der Völker auftauchen werden, von jedem Staat nach seinem Be-
lieben geordnet werden können, so wird dies ein buntes Durcheinander
von Rechtsvorschriften geben, das vielleicht für die Entwicklung von Handel
und Verkehr ein ebenso großes Hindernis bedeuten könnte, wie ein Krieg.
Stebt doch auch die Rechtsbildung der einzelnen in Betracht kommenden