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Staaten auf sehr verschiedener Stufe. Im allgemeinen wird man sagen
können, daß Deutschland, Österreich--Ungarn und Frankreich in der Aus-
bildung des Rechts am weitesten vorgeschritten sind. England hat in seinem
Rechtsleben ganz andere Wege eingeschlagen als die Mächte des Fest-
landes, und Rußland ist wohl am weitesten zurück. Der Handelsverkehr
umfaßt aber alle diese Länder gleichmäßig und verlangt dringend eine
möglichst einheitliche, sichere Regelung. Eine solche #bereinstimmung des
innerstaatlichen Rechts für gewisse Grundfragen herbeizuführen, welche
Gelegenheit könnte dafür günstiger sein, als der Friedensschluß nach diesem
Krieg! And wenn man sich auch zunächst nur darauf beschränken würde,
für das, was unmittelbar nach dem Kriege kommen soll, für die Ab-
wicklung der schwebenden Geschäfte und für die Regelung der neuen, durch
den Krieg geschaffenen Tatbestände einheitliche Grundlagen zu schaffen,
so wäre das schon ein Friedenswerk, das als eine bedeutsame Errungen-
schaft der Kultur zu bezeichnen wäre. Es ist kaum anzunehmen, daß die
Verhandlungen über diesen Frieden sich schnell vollziehen werden. Nach
Abschluß eines Waffenstillstandes, vielleicht nach Vereinbarung gewisser
großer Grundlinien für den Frieden werden sicherlich Monate vergehen,
bis der endgültige Friedensvertrag urkundlich niedergelegt werden kann.
Die Lage ist in dieser Beziehung ähnlich der Europas vor dem Abschluß
des Westfälischen Friedens. Auch damals waren fast alle Mächte, die
diplomatische Bedeutung hatten, an den Verhandlungen beteiligt. Die
Verhandlungen haben nicht nur Monate, sondern Jahre in Anspruch ge-
nommen und aus ihnen ist schließlich ein Vertrag hervorgegangen, der den
Anfang einer neuen Zeit für das Völkerrecht bildet, der Westfälische
Friede. Heute wird ebenfalls der größte Teil der diplomatisch einfluß-
reichen Mächte der Welt an den Verhandlungen über den zu schließenden
Frieden sich beteiligen. Es wird also Zeit genug vorhanden sein, um nicht
nur Bedingungen über das Aufhören der Feindseligkeiten, über Fest-
stellung der Landesgrenzen, Kriegsentschädigung und andere mit der Krieg-
führung unmittelbar zusammenhängende Punkte zu vereinbaren, man wird
zugleich auch an die reinen Rechtsvorschriften denken können und müssen.
Diesem Frieden sollte die Welt ein Gesetzbuch des internationalen Rechts
verdanken!
* *
Am meisten besprochen ist in dem bisherigen Verlauf des Krieges die
Behandlung der deutschen Auslandsforderungen.
Man hat hier die verschiedensten Vorschläge gemacht. Einen von
ihnen habe ich bereits erwähnt: daß das Reich die Ansprüche übernehmen