89
und die fremden Staaten für die Gesamtheit der Schulden ihrer Bürger ver-
antwortlich machen solle. In etwas milderer Form zeigt sich der gleiche
Gedanke bei dem Vorschlage, den fremden Staaten sollte eine Ausfall-
bürgschaft!) auferlegt werden, durch ein Zwangsverfahren sollte die Bei-
treibung der Auslandsforderungen, zugleich aber auch die Berichtigung
der deutschen Auslandsschulden geordnet werden, die hierbei sich er-
gebenden Ausfälle sollten die fremden Staaten tragen, damit kein Deutscher
infolge der durch den Krieg herbeigeführten Zahlungsunfähigkeit seiner aus-
ländischen Schuldner einen Schaden zu erleiden habe. Auch gegen diesen
milderen Vorschlag sprechen erhebliche Bedenken, im wesentlichen die
gleichen, wie sie bereits bei der unbedingten Haftung der feindlichen Staaten
erwähnt worden sind. Man hat ferner vorgeschlagen, es sollte durch irgend
ein Verfahren ein Schuldenausgleich-) mit dem feindlichen Ausland herbei-
geführt werden. Für die Ausgestaltung der Abrechnung im einzelnen hat
man Vorschläge gemacht, die in der Hauptsache zunächst wohl alle darunter
leiden, daß man sich über den Stand der Bilanz noch keineswegs ganz im
klaren ist. Alle diese Gedanken, welche irgend eine Zwangs maßregel
dieses Gebietes im Sinne haben, haben gemeinsam ein schweres Bedenken
gegen sich. Es handelt sich um den freien Wirtschaftsverkehr einer Staaten-
gruppe, die, sämtliche Kriegführende zusammengenommen, 65,6 Prozent
des gesamten Welthandels umfaßt. Es ist nicht anzunehmen, daß wir jetzt
schon einer Organisation fähig sind, welche ungefähr zwei Drittel des ge-
samten Verkehrslebens der Welt im Laufe einer kurzen Zeitspanne nach ein-
heitlichem Plan abzurechnen vermöchte. Gewiß ist der Gedanke verlockend;
die Menschheit wird mit der Zeit auch dahin gelangen müssen, die Vorgänge
der Weltwirtschaft mit bewußtem Handeln zu regeln. Man wird sich aber
sagen müssen, daß bis zum Ausbruch des Krieges gerade in diesen, ganze Erd-
teile umspannenden Fragen, von klarer, bewußter Ordnung durch menschliche
Arbeitskraft noch recht wenig zu spüren war, und es müßte geradezu ein
Wunder genannt werden, wenn nach einem, die ganze Welt doch stark
erschöpfenden Kriege plötzlich etwas geschaffen werden könnte, das mit einem
Male die ganzen verwickelten Gänge des Wirtschaftslebens der Völker über-
schaut, sie regelt und aus dem Wirrwarr des Krieges in eine gesunde Blüte
zurückführt. Das wichtigste bei allen Maßnahmen, die gerade für den
Schuldenausgleich zwischen den Völkern getroffen werden könnten, wäre
1) Denkschrift des Vereins deutscher Maschinenbau-Anstalten; dazu die Aufsätze
des Verfassers über die Sicherung der Auslandsforderungen der deutschen Industrie,
Deutsche Export-Revue 1915, Nr. 23 bis 39.
2) Dazu Heymann, D J3Z. 1915, 949; Stresemann, Recht und Virtschaft 1915,
195 und Bericht der Reichstagskommission für Handel und Gewerbe. Druck-
sachen 13 II 1904/5. Nr. 135.