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das Verhalten des Ulanen Reiß im Gefechte bei Telaticze am 1. November 1812
dar. Major von Seydlitz, einer der verdienstvollsten Offiziere der Armee,
sank hier tödlich getroffen vom Pferde. Da sprang mitten im blutigsten
Handgemenge jener tapfere Ulan von dem seinen, trug unter den größten
Schwierigkeiten den schwer Verwundeten an einen ruhigeren Ort und bestieg
dann sofort ein Beutepferd, um sich von neuem an dem Kampfe zu beteiligen.
Solche Beispiele der Aufopferung sowohl für eine Person wie für ein
Ganzes zeigt die Geschichte der braven sächsischen Armee an vielen Stellen.
Der aufopfernde Angriff des Generals von Zezschwitz mit den Resten
der Regimenter Kochtizky = Kürassiere und Polenz-Chevauxlegers bei Jena,
durch den die französische Kavallerie-Reserve zersprengt und aufgehalten
wurde, ist ein Lichtblick in der traurigen Geschichte dieser Unglücksschlacht.
Mit den Grenadieren von Winkel haben die Reiter von Kochtizky und
von Polenz die sächsische Krieger-Ehre und Soldatentugend hell erstrahlen
lassen. (Des berühmten Angriffes der Kürassierbrigade Thielmann mit den
Regimentern Garde du corps und von Zastrow und Erstürmung der
großen Redoute an der Moskwa (auch Rajewski-Schanze genannt) ist
schon Erwähnung getan.)
Generalleutnant von Gutschmid, einer der hervorragendsten, befähigtesten
und kühnsten Reiterführer, dem eine große Zukunft offen gestanden haben
würde, erlag zu Anfang des russischen Feldzuges 1812 zu Pulawi einem
schweren Fieber. Er war 1809 zum Chef des 1791 errichteten Husaren-
Regiments ernannt worden, eine Auszeichnung, die seiner Person und dem
Regimente in gleichem Maße galt. Namen wie die des Grafen Bellegarde,
der Generale von Zezschwitz und von Gablenz aber, von Funke, von Feilitzsch,
von Mangold, Senfft von Pilsach und andere legen Zeugnis davon ab,
in welch glänzender Weise der sächsischen Kavallerie Führer gegeben waren,
deren vorbildliche Tüchtigkeit die schönen Regimenter zu Taten des Ruhmes
und der Ehre hingerissen und deren Ausbildung auf eine so hohe Stufe
der Vollendung gebracht hat. — „Der Geist, der im ganzen Korps tut
leben, Reißet gewaltig wie Windesweben Auch den untersten Reiter mit.“
„Drum frisch, Kameraden, den Rappen gezäumt,
Die Brust im Gefechte gelüftet!
Die Jugend brauset, das Leben schäumt,
Frisch auf! eh' der Geist noch verdüftet!
Und setzet ihr nicht das Leben ein,
Nie wird euch das Leben gewonnen sein.“
Derartigem Geiste entspringen alle die Waffentaten, welche — die
Grenzen des direkt Befohlenen und der reglementsmäßigen Vorschriften
weit hinter sich lassend — dem begeisterten Zusammenwirken der kriegerischen
Tugenden von Mut, Gehorsam und Tapferkeit mit den rein menschlichen
Empfindungen der Hingebung, Treue und Hilfsbereitschaft ihr Entstehen
verdanken. Hierher gehört die Befreiung beziehungsweise Rettung des Obersten