140 B. Erläuterungen z. Reichs= u. Staatsangehörigkeitsgesetz.
Vom politischen Standpunkt läßt es sich nicht rechtfertigen, daß
Deutschen im Ausland der Schutz des Reichs und seiner Vertreter ge-
währt wird, auch wenn sie ihre Pflicht, zum Schutze des Reichs bei-
zutragen, nicht erfüllt und sich dadurch von ihrem Vaterlande losgesagt
haben. Der Schutz, der nach Artikel 3 Abs. 6 der Reichsverfassung
allen Deutschen gleichmäßig zu gewähren ist, wird von den deutschen
Auswanderern schon in den Ländern nicht selten nachgesucht, in denen
geordnete Verhältnisse, insbesondere eine gesicherte Rechtspflege, bestehen.
In erhöhtem Maße ist dies aber der Fall in solchen Staatswesen, in
denen der Ausländer, wenn er sich nicht auf seinen Heimatstaat stüten
kann, häufig fremder Willkür schutzlos preisgegeben ist. In solchen
Ländern rufen die Beziehungen unserer Angehörigen zu der dortigen
Staatsgewalt leicht Verwickelungen hervor, die ein energisches Einschreiten
unserer Vertreter bedingen und unter Umständen auch zum Einsetzen
der Machtmittel des Reichs führen können. Verwickelungen dieser Art
würden sich ganz erheblich vermehren, wenn künftig alle deutschen Aus-
wanderer und deren Abkömmlinge ohne Unterschied, ob sie ihre Wehr-
pflicht erfüllen oder nicht, im Besitze der Reichsangehörigkeit belassen
würden. Hiernach erfordert es das Staatsinteresse, daß wir weitere
Schutzverpflichtungen nur zugunsten solcher Personen übernehmen, die
auch ihrerseits dem Reiche gegenüber ihre militärischen Pflichten erfüllen
und dadurch zur Erhöhung seiner Wehrkraft beitragen.
Das Prinzip des neuen Verlustgrundes erscheint auch billig und
gerecht, zumal da den Auslandsdeutschen in letzter Zeit wesentliche Er-
leichterungen in der Erfüllung der Wehrpflicht gewährt worden sind und
mit dem Inkrafttreten des neuen Staatsangehörigkeitsgesetzes noch er-
heblich weitergehende gesetzliche Erleichterungen zuteil werden sollen.
Die bereits früher eingeführten Erleichterungen betreffen die Herbei-
führung endgültiger Entscheidungen über die Dienstverpflichtung im
Ausland, die Zurückstellung oder Überweisung zur Ersatzreserve oder
zum Landsturm, den Erwerb der Berechtigung zum einjährig-freiwilligen
Dienste, die Zulassung zum Dienste in den Schutztruppen und die Ge-
währung von Reisekosten zur Erfüllung der militärischen Pflichten.
Weitere wesentliche Erleichterungen sind in dem Gesetz zur Abänderung
des Reichsmilitärgesetzes sowie des Gesetzes, betreffend Anderungen der
Wehrpflicht, vom 11. Februar 1888 (s. unten S. 173 ff.) vorgesehen, und
zwar namentlich nach zwei Richtungen: einmal soll für die überseeischen
Deutschen, denen durch die Ableistung ihrer militärischen Pflichten un-
verhältnismäßige Nachteile entstehen würden, die Möglichkeit einer Be-