Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

36 B. Erläuterungen z. Reichs= u. Staatsangehörigkeitsgesetz. 
oder im Falle der Aufnahme in einem neuen Wohnsitzstaate durch die 
unbeabsichtigte Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit mehreren 
Bundesstaaten angehören, ohne die Beziehungen zu ihnen irgendwie 
aufrecht zu erhalten. Praktisch unerwünschte Folgen zeigen sich beispiels- 
weise, wenn ein mehreren Bundesstaaten Angehörender zum Zwecke der 
Auswanderung seine Reichsangehörigkeit aufgeben will, seine Entlassung 
aber, sei es aus Unkenntnis des Gesetzes, sei es, weil er sich seiner 
mehrfachen Staatsangehörigkeit nicht bewußt ist, nur aus einem Bundes- 
staate nimmt; denn in einem solchen Falle würde er wider seinen 
Willen die Reichsangehörigkeit und die sich daraus ergebenden Rechte 
und Pflichten beibehalten. Wenn ferner das Bürgerliche Gesetzbuch ge- 
wisse besonders wichtige Entscheidungen auf dem Gebiete des Familien- 
rechts, wie die Befreiung von Ehehindernissen, den Behörden des Staates 
zuweist, dem der Beteiligte angehört, so geht es von dem Gedanken 
aus, daß er diesem Staate besonders nahe steht. Der Gedanke kann 
aber nicht zur Durchführung gelangen, wenn für die Entscheidungen 
auch Staaten in Betracht kommen, zu denen der Beteiligte nur auf 
Grund vorübergehender oder längst vergangener Ereignisse in ein Zu- 
gehörigkeitsverhältnis getreten ist. Aus diesen Gründen sucht die Vor- 
lage auch die mehrfache Staatsangehörigkeit in verschiedenen Bundes- 
staaten möglichst zu beseitigen. Immerhin ergibt sich schon aus den 
staatsrechtlichen Verhältnissen mancher Einzelstaaten für gewisse Personen- 
kreise ein dauerndes Interesse daran, mehreren Bundesstaaten anzu- 
gehören. Die Vorlage läßt deshalb hier für die Wünsche der Beteiligten 
weiteren Spielraum als beim Erwerb einer ausländischen Staatsan- 
gehörigkeit.“ 
Bei den Kommissionsberatungen machte die Reichsleitung darauf 
aufmerksam, daß für die Angehörigen mehrerer Bundesstaaten mancher- 
lei Unannehmlichkeiten erwüchsen nicht nur bei Gesuchen um Befreiung 
vom Ehehindernis des § 1312 BGB., sondern auch gelegentlich der Mit- 
wirkung der Staatsgewalt bei der Ehelichkeitserklärung und bei Ge- 
suchen um Befreiung von den Altersvorschriften für die Annahme an 
Kindesstatt. In diesen Fällen sei die Zuständigkeit den Behörden des 
Bundesstaats übertragen, dem der Gesuchsteller angehöre. In der Rechts- 
lehre bestünde Verschiedenheit der Auffassung darüber, ob bei Zugehörig- 
keit zu mehreren Bundesstaaten die Mitwirkung aller beteiligten Re- 
gierungen erforderlich sei oder die Genehmigung eines Bundesstaats 
genüge. Von gewichtiger Seite und von den Justizverwaltungen ver- 
schiedener Bundesstaaten werde der Standpunkt vertreten., daß die Mit-
	        
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