Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

58 B. Erläuterungen z. Reichs- u. Staatsangehörigkeitsgesetz. 
Ist nun die Gültigkeit der Eheschließung nach bürgerlichem Rechte 
für die Übertragung der Staatsangehörigkeit des Mannes auf die 
Frau ausschlaggebend, so kann der nachträglichen Feststellung ihrer 
Ungültigkeit die Rückwirkung auf die Staatsangehörigkeit nicht versagt 
werden. Die Gründe der Ungültigkeit einer Ehe zerfallen in drei 
Gruppen: 
a) Die Ehe gilt als nicht geschlossen, wenn die Formvorschrift des 
8 1317 BGB. nicht beobachtet und die Ehe nicht in das Heiratsregister 
eingetragen ist (§ 1324 BGB.). In diesem Falle kann von einem Staats- 
angehörigkeitserwerb der Frau keine Rede sein. 
b) Die Ehe ist nach § 1329 BE# für nichtig erklärt. Die Wirkung 
des gerichtlichen Urteils, das der Nichtigkeitsklage stattgibt, besteht darin, 
daß die Ehe als von Anfang an ungültig zu erachten ist. Die ver- 
einzelten Ausnahmen, die § 1344 BGB. gegenüber diesem Grundsatze 
zuläßt, beziehen sich nur auf bürgerliche Rechtsverhältnisse der in nichtiger 
Ehe Lebenden zu gutgläubigen Dritten. Für die Frage der Staats- 
angehörigkeit aber kann weder aus dem bürgerlichen noch aus dem 
öffentlichen Rechte eine Durchbrechung der Regel abgeleitet werden, 
daß für die Beurteilung der Gültigkeit einer Ehe allein das bürgerliche 
Recht entscheidend ist und daß eine ungültige Ehe der Frau nicht die 
Staatsangehörigkeit des Mannes verleihen kann. Da ferner die Nichtig- 
keit einer Ehe nach § 1329 BGB. nur im Wege einer gerichtlichen Klage 
geltend gemacht werden kann, so kann der Verwaltungsrichter über 
diese Vorfrage des Staatsangehörigkeitsbesitzes nicht selbständig ent- 
scheiden; er ist vielmehr an die gerichtliche Feststellung gebunden und 
darf die Nichtigkeit einer Ehe nicht annehmen, solange sie nicht durch 
rechtskräftiges Urteil festgestellt ist. 
c) Die Ehe ist nach § 1330 BG#B. mit Erfolg angefochten worden. 
In solchem Falle gilt gleichfalls das bei b Gesagte; denn auch die mit 
Erfolg angefochtene Ehe ist als von Anfang an nichtig anzusehen 
(§ 1343 Abs. 1 BGB.). 
Vorstehendes trifft auch auf die Fälle zu, in denen bei der Ehe- 
schließung nur dem einen Gatten die Nichtigkeit der Ehe bekannt war. Die 
gutgläubige Frau kann sich bei Inanspruchnahme der Staatsangehörig- 
keit des Mannes nicht darauf berufen, daß sie die Ehe ohne Kenntnis 
ihrer Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit eingegangen habe (Putativehe). 
Denn die Vorschrift des § 6 des R. u. St Ges. läßt keinen Raum zur 
Berücksichtigung der Kenntnis oder Absicht der Frau; das Gesetz knüpft 
ihre Anfnahme in den Staatsverband des Mannes ausschließlich an
	        
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