Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

70 B. Erläuterungen z. Reichs= u. Staatsangehörigkeitsgesetz. 
lässig sein soll. Den Regierungen der Bundesstaaten steht aber frei, 
weitere Bedingungen zu stellen. So setzt die Einbürgerung in Bayern 
voraus, daß der Antragsteller und seine Angehörigen das Heimatrecht 
in einer bayerischen Gemeinde erworben haben, eine Bedingung, von der 
nur das Staatsministerium des Innern befreien kann. Ebenso ist statt- 
haft, bei der Einbürgerung die Leistung des Untertanen= oder Ver- 
fassungseids aufzuerlegen. Auch kann die Landesregierung anordnen, 
daß sich die Niederlassungsgemeinde über die Geschäftsfähigkeit des An- 
tragstellers äußert. Sie kann ferner Angehörige eines in ihrem Staats- 
gebiete nicht anerkannten Religionsbekenntnisses von der Einbürgerung 
ausschließen (s. unten Anm. 11 am Schlusse). 
5. Einbürgerung, im B. u. St Ges. Naturalisation genannt, ist die 
Verleihung der Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate an einen 
Nichtdeutschen. 
6. Das R. u. St Ges. steht zwar im allgemeinen auf dem Stand- 
punkte, daß ein Deutscher nicht gleichzeitig Angehöriger eines ausländi- 
schen Staates sein soll. Es erklärt daher den vorbehaltlosen Erwerb einer 
ausländischen Staatsangehörigkeit (§ 17 Ziff. 2 und § 25 Abs. 2 und 3) 
und den Eintritt in ausländische Staatsdienste (§ 28) als Grund für 
den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. Dagegen ist die Ent- 
lassung aus dem ausländischen Staatsverbande nicht die notwendige 
Voraussetzung der Einbürgerung. Diese Forderung konnte mit Rücksicht 
auf die Verschiedenartigkeit der ausländischen Gesetzgebung nicht allgemein 
aufgestellt, kann aber durch Staatsverträge, Anordnung des Reichskanzlers 
mit Zustimmung des Bundesrats (§ 25 Abs. 3 des R. u. St Ges.) oder 
durch Verfügung einer bundesstaatlichen Regierung eingeführt werden. 
Gegenwärtig gilt in den meisten europäischen Staaten die Bestimmung, 
daß ihre Staatsangehörigkeit mit der Aufnahme in einen fremden Staats- 
verband verloren wird; nur die Gesetze von Rußland, der Schweiz, der 
Türkei und von Ungarn kennen eine solche Vorschrift nicht (s. unten 
S. 244 Nr. 6). Die Angehörigen dieser Staaten bedürften daher für die 
Einbürgerung im Deutschen Reiche der ausdrücklichen Entlassung aus 
ihrem bisherigen Staatsverbande, um nicht gleichzeitig Untertanen 
mehrerer Staaten zu sein. In Rußland freilich ist die Entlassung, die 
einen Gnadenakt des Zaren bildet, nicht leicht zu erlangen. Für die 
Angehörigen der Schweiz und der Türkei empfiehlt es sich, die Zu- 
sicherung der Entlassung aus dem bisherigen Staatsverbande für den 
Fall der Einbürgerung im Deutschen Reiche zu erwirken. Die An- 
gehörigen des österreichisch-ungarischen Reichs sollen zwar in der Regel
	        
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