Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

76 B. Erläuterungen z. Reichs- u. Staatsangehörigkeitsgesetz. 
nicht verwandt und zählt nicht zu den Angehörigen. Die Unterhalts- 
pflicht des Antragstellers gegenüber einem unehelichen Kinde nach 
88 1708 ff. BGB. kommt daher hier nur so weit in Betracht, als sie seine 
Fähigkeit, sich und seine Angehörigen zu ernähren, beeinträchtigen kann. 
18. 88 Abs. 1 Ziff. 4 des B. u. StGes. (s. oben S. 2) hatte die 
Unterhaltsfähigkeit am Orte der Niederlassung „nach den daselbst be- 
stehenden Verhältnissen“ vorausgesetzt. Der Zusatz ist weggefallen; es 
sind aber auch ferner die Lebens-, Erwerbs-, Wohnungsverhältnisse usw. 
des Niederlassungsorts in Betracht zu ziehen und neben diesen die per- 
sönlichen Ansprüche, die nach Bildung, Stellung, Gewöhnung des An- 
tragstellers und seiner Angehörigen für das Leben in Frage kommen. 
Denn ernähren bedeutet hier nicht nur das Verabreichen des notdürftigsten 
Lebensunterhalts, sondern die Gewährleistung eines nach den persönlichen 
und örtlichen Verhältnissen angemessenen Fortkommens, zu dem auch 
die Sicherung des Unterhalts für Zeiten der Erwerbsunfähigkeit, die 
Erziehung und Ausbildung der Kinder u. dgl. gehört. 
19. Das Gesetz will die Niederlassungsgemeinde vor der Einbürge- 
rung sittlich oder wirtschaftlich bedenklicher Elemente schützen und räumt 
ihr daher das Recht der gutachtlichen Außerung über die Erfordernisse 
des Abs. 1 Ziff. 2—4 ein. Wem hierbei die Vertretung der Gemeinde 
zusteht, bemißt sich nach Landesrecht. Gemeinde ist der kleinste politische 
Verband, der nach öffentlichem Recht eine selbständige Körperschaft bildet. 
20. Im Geltungsbereiche des Unterstützungswohnsitzgesetzes ist der 
Armenverband auch zu hören, wenn die Niederlassungsgemeinde keinen 
selbständigen Armenverband bildet. Wo die Niederlassungsgemeinde und 
der Armenverband die gleiche Körperschaft bilden, ist die Gemeinde in 
ihrer doppelten Eigenschaft zu hören. Besitzt sie für ihre politischen und 
für ihre armenpfleglichen Aufgaben verschiedene Vertretungen, so sind 
beide zu hören, z. B. in Bayern neben der Gemeindeverwaltung (Magi- 
strat, Gemeindeausschuß, Gemeinderat) stets der Armenpflegschaftsrat. 
21. Die Gemeinde ist nicht über das Einbürgerungsgesuch im all- 
gemeinen, sondern nur über die Erfordernisse des Abs. 1 Ziff. 2—4 zu 
hören. Sie darf sonach ihre Außerung nicht darauf beschränken, daß 
sie die Bewilligung oder Versagung der Einbürgerung begutachtet, 
sondern sie muß zu den Fragen der Unbescholtenheit des Lebenswandels, 
der Niederlassung und des Besitzes einer eigenen Wohnung oder eines 
Unterkommens, dann der Fähigkeit des Antragstellers, sich und seine 
Angehörigen am Niederlassungsorte zu ernähren, ausdrücklich Stellung 
nehmen. Die Erklärung der Gemeinde ist ein Gutachten, dem das
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.