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gekommen, bei Altkirch gingen sie bereits wieder in Richtung auf Belfort
zurück. - .
« Deutschlands Verhandlungen mit Belgien.
W.T.B. Berlin, 8. August.
Zur Widerlegung der in London und Paris über die Haltung der
deutschen Regierung in der belgischen Frage verbreiteten Unwahrheiten
veröffentlichen wir den Wortlaut der telegraphischen Anweisungen an den
deutschen Gesandten in Brüssel vom 2. August 1914: «
„Der Kaiserlichen Regierung liegen zuverlässige Nachrichten vor über
den beabsichtigten Aufmarsch französischer Streitkräfte an der Maas Strecke
Givet-Namur. Sie lassen keinen Zweifel über die Absicht Frankreichs,
durch belgisches Gebiet gegen Deutschland vorzugehen.
Die Kaiserliche Regierung kann sich der Besorgnis nicht erwehren,
daß Belgien, trotz besten Willens, nicht imstande sein wird, ohne Hilfe
einen französischen Vormarsch mit so großer Aussicht auf Erfolg abzu-
wehren, daß darin eine ausreichende Sicherheit gegen die Bedrohung
Deutschlands gefunden werden kann. Es ist ein Gebot der Selbsterhaltung
für Deutschland, dem feindlichen Angriff zuvorzukommen. Mit dem
größten Bedauern würde es daher die Deutsche Regierung erfüllen, wenn
Belgien einen Akt der Feindseligkeit gegen sich darin erblicken würde, daß
die Maßnahmen seiner Gegner Deutschland zwingen, zur Gegenwehr auch
seinerseits belgisches Gebiet zu betreten. Um jede Mißdeutung auszu-
schließen, erklärt die Kaiserliche Regierung das Folgende:
1. Deutschland beabsichtigt keinerlei Feindseligkeiten gegen Belgien.
Ist Belgien gewillt, in dem bevorstehenden Kriege Deutschland gegenüber
eine wohlwollende Neutralität einzunehmen, so verpflichtet sich die Deutsche
Regierung, beim Friedensschluß Besitzstand und Unabhängigkeit des König-
reichs im vollen Umfang zu garantieren. ·
2. Deutschland verpflichtet sich unter obiger Voraussetzung, das Gebiet
des Königreichs wieder zu räumen, sobald der Friede geschlossen ist.
3. Bei einer freundschaftlichen Haltung Belgiens ist Deutschland
bereit, im Einvernehmen mit den Königlich Belgischen Behörden alle Be-
dürfnisse seiner Truppen gegen Barzahlung anzukaufen und jeden Schaden
zu ersetzen, der etwa durch deutsche Truppen verursacht werden könnte.
Sollte Belgien den deutschen Truppen feindlich entgegentreten, ins-
besondere ihrem Vorgehen durch Widerstand der Maasbefestigungen oder
durch Zerstörungen von Eisenbahnen, Straßen, Tunneln oder sonstigen
Kunstbauten Schwierigkeiten bereiten, so wird Deutschland zu seinem Be-
dauern gezwungen sein, das Königreich als Feind zu betrachten. In diesem
Falle würde Deutschland dem Königreich gegenüber keine Verpflichtungen
übernehmen können, sondern müßte die spätere Regelung des Verhält-
nisses beider Staaten zueinander der Entscheidung der Waffen überlossen.
Die Kaiserliche Regierung gibt sich der bestimmten Hoffnung hin, daß
diese Eventualität nicht eintreten und daß die Königlich Belgische Regie-
rung die geeigneten Maßnahmen zu treffen wissen wird, um zu verhindern,
daß Vorkommnisse, wie die vorstehend erwähnten, sich ereignen. In diesem
Falle würden die freundschaftlichen Bande, die beide Nachbarstaaten ver-
binden, eine weitere und dauernde Festigung erfahren.
Euer Hochwohlgeboren wollen heute abend 8 Uhr der Königlich
Belgischen Regierung hiervon streng vertrauliche Mitteilung machen und
sie um Erteilung einer unzweideutigen Antwort binnen zwölf Stunden,