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Wie ersichtlich, enthalten diese Telegramme keinerlei Andeutung
darüber, daß ein Mißverständnis vorgelegen habe und nichts über die von
englischer Seite behauptete Aufklärung des angeblichen Mißverständnisses.
Nouen von den Franzosen geräumt.
Kopenhagen, 5. September. „Berlinske Tidende“ meldet aus
London, die Franzosen räumten Rouen.
Der russische Durchbruchsversuch bei Lemberg abgeschlagen.
DOesterreichisch-ungarisches Kriegspressequartier, 4. September. Die
österreichisch-ungarische Armee hat Lemberg aus strategischen Gründen frei-
willig geräumt, so daß der russische Angriff auf leere Stellungen traf. Es
gab keine Gefechte. Auf dem russischen Kriegsschauplatz dauerte der öster-
reichische Angriff auf Lublin fort. Der eigentliche russische Offensioplan ist
infolge Auffenbergs glänzendem Siege bei Komarow als gescheitert anzu-
sehen. Die verzweifelten Durchbruchsversuche des Generals Plehwe gegen
die sackartige österreichische Stellung wurden von den deutsch-böhmischen
und tschechischen Regimentern blutig abgeschlagen, bis das Eingreifen
niederösterreichischer Regimenter von Csesniki her der bestürmten Front-
gruppe Luft machte. Als die Oberungarn des Generals Böröwitsch und
die Salzburger, Oberösterreicher, Deutschtiroler, Welschtiroler und Ungarn
des Erzherzogs Josef Ferdinand nun auch die feindliche Rückzugslinie
bedrohten, mußten die Russen unter tapferer Verteidigung der Rücken-
deckung zurück. Die österreichische Frontgruppe in Verbindung mit der
Flügelgruppe Böröwitsch stieß sofort nach und vervollständigte den Sieg.
Die russische Niederlage bedeutet die Katastrophe für einen großen Teil
der russischen Armee und vereitelt endgültig ihr geplantes Zusammen-
wirken mit der gegen Lemberg stoßenden Armee, das für das österreichisch-
ungarische Heer hätte verhängnisvoll werden können.
Oesterreichisch-ungarisches Kriegspresseguartier, 5. September. Vor
Lemberg wird auch heute nicht gekämpft. Der Umstand, daß die Russen
nicht nachdrängen, beweist den rein taktischen Charakter der Räumung
Lembergs, das militärisch sehr ungünstig gelegen ist, und ermöglicht un-
gestörte planmäßige Vorbereitung der weiteren Operationen, bei denen
erst die Entscheidung liegen wird. (Berl. Tageblatt.)
Ein Aufruf der Ukrainer.
Der „Bund zur Befreiung der Ukrainer“ richtet an die öffentliche
Meinung Europas einen Aufruf, dem wir folgende Stelle entnehmen:
„Ohne Lostrennung der ukrainischen Provinzen Rußlands wäre auch
das vernichtendste Debakle dieses Reiches im jetzigen Kriege nur ein
schwacher Stoß, von welchem sich der Zarismus in einigen Jahren erholen
würde, um seine alte Rolle, eines Störers des europäischen Friedens,
weiter zu führen. Nur die freie zum Dreibunde gravitierende Ukraina
könnte durch ihr weites Territorium von den Karpathen bis zum Don-
flusse und dem Schwarzen Meere eine Schutzmauer für Europa gegen Ruß-
land bilden, welche für immer die Expansion des Zarismus unschädlich
machen und die slawische Welt von dem verderblichen Einflusse des Pan-
moskowitismus befreien würde. In vollem Bewußtsein ihrer historischen
Mission, ihre alte Kultur vor dem asiatischen Barbarismus der Moskowiter
zu schützen, ist die Ukraina die ganze Zeit ein ausgesprochener Feind Ruß-