Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

der Unklarheit und Kurzsichtigkeit Napoleons III. unendlich überlegene 
Staatskunst die deutsche und die italienische Einigung zu verwirklichen. 
Die italienische Großmachtstellung, Unabhängigkeit und Einheit stehen und 
fallen mit der deutschen Machtstellung. Eine Schwächung Deutschlands 
würde auf die italienische Stellung im Mittelmeer und damit auf die 
italienische Gesamtposition eine unvermeidliche und tiefgehende Wirkung 
ausüben, der Triumph des Panslawismus italienische Kultur und das 
italienische Volkstum in ganz anderer Weise bedrohen als die Mißgriffe 
dieses oder jenes Beamten in Südtirol oder Triest. Ein Vorgehen Italiens 
gegen Oesterreich-Ungarn nach jahrzehntelanger Allianz wäre ein völker- 
rechtliches Unrecht, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Es wäre aber 
noch mehr als das. Hier träfe das Wort von Talleyrand zu, das er nach 
der Erschießung des Herzogs von Enghien sptach: „G'est pire qu’un 
crime, c'est une bétise.“ Damit würde das Tafeltuch zwischen Italien 
und Deutschland zerschnitten, würde die italienische Weltstellung und Zu- 
kunft kleinlichen Augenblickserfolgen, hohlen Phrasen und lügenhaften 
Versprechungen leichtherzig geopfert.“ 
Die Fürstin Bülow war bei unserer Unterredung zugegen. Jetzt 
meinte sie mit einem Eifer, der zeigte, wie sehr sie deutsch empfindet: 
„Jch möchte tausend Zungen haben, um jedem im Lande meiner Geburt 
zu sagen, wie herrlich, edel und groß unser Deutschland dasteht. Hier ist 
das gute Recht, hier ist wahre Größe. Wenn ich die Truppen vorbei- 
marschieren sehe, wenn ich den Geist spüre, der hier weht, ist mir zumute, 
wie vor vielen Jahren, als ich der Einweihung des Festspielhauses in 
Bayreuth beiwohnte und Richard Wagner den Taktstock erhob und die 
Neunte Symphonie in herrlichen Klängen ertönte, wie drei Jahre später, 
als zum ersten Male der „Ring der Nibelungen“ vom Meister selbst ge- 
leitet, an meinem Ohr vorüberzog.“ Fürst Bülow lächelte über den 
Enthusiasmus seiner Frau. 
„Und wie steht es mit Skandinavien? Ich will Sie nicht daran er- 
innern, wie warme Sympathien in Deutschland für Skandinavien immer 
bestanden haben, an die Aufnahme, die der Genius skandinavischer Dichter, 
eines Jbsen, eines Björnson, eines Strindberg, auf deutschen Bühnen 
und im deutschen Volke gefunden haben, an die vielen Deutschen, die Ihr 
Land besuchten und Liebe zu Ihrem Lande von dort mitgenommen haben, 
an die vielen Beweise von Liebe und Verständnis, die unser Kaiser Ihrem 
Volke gegeben hat. Ich frage Sie nur das eine: „Welche Gefahr sollte 
Norwegen, sollte irgendeinem skandinavischen Land, sollte irgendeinem 
unserer friedlichen Nachbarn von Deutschland drohen? Sind wir nicht 
während 43 Jahren, bis wir von unseren Nachbarn angefallen wurden, 
ein friedliches Land gewesen? Ich kann ohne Uebertreibung sagen: Das 
friedlichste LCand der Welt. Wieviele Kriege haben inzwischen Frankreich, 
England, Rußland in Afrika und Asien geführt, wie haben sie ihren 
Besitz vergrößert! Wann sind wir jemals den Rechten oder Interessen 
anderer Länder zunahegetreten? Wir denken natürlich auch heute nicht 
daran, die Sicherheit und Unabhängigkeit derjenigen Länder zu bedrohen, 
die in Frieden und Freundschaft mit uns leben wollen. Die Schweiz und 
die Niederlande, Schweden, Norwegen, Dänemark, sie alle wissen, daß wir 
nichts Böses gegen sie im Schilde führen. Brauche ich Sie an die sorgsame 
Pflege unserer Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zu erinnern, zu 
dem amerikanischen Volk, für dessen große Seiten unser Kaiser ein so 
  
 
	        
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