Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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sonen anwesend, der Dominikaner Pater Dillon, ein Arzt und ein 
potheker, die um die Erlaubnis einkamen, nach 9 Uhr abends noch Ver- 
wundete aufsuchen zu dürfen. Während wir ratlos und erschreckt im 
Zimmer dasaßen, trat ein höherer deutscher Offizier ein und erklärte, 
hier liege offenbar eine Verschwörung vor. Er sei gezwungen, die 
schärfsten Gegenmaßregeln zu ergreifen und der Stadt eine hohe Kon- 
tribution aufzuerlegen. 
Als sich das Schießen gegen Abend gelegt, gingen wir die Rue de 
la Station auf und ab, um der Bevölkerung Ruhe zu empfehlen. Pater 
Dillon sprach zu der Bevölkerung auf flämisch, der Senator Orbau de 
Tiory auf französisch. Dann kehrten wir zum Rathaus zurück und legten 
uns zur Ruhe. 
i folgenden Morgen führte man uns zum Bahnhof, um uns in 
einem Eisenbahnwagen einzuquartieren. Im Wartesaal entwarfen die 
deutschen Offiziere eine Proklamation, die in der Stadt verlesen werden 
sollte, des Inhalts: 
„Wir haben Geiseln von Euch! Wenn noch ein Schuß fällt, er- 
schießen wir dieselben. Die Stadt wird gestraft und eine Kontribution 
von 20 Millionen Franken eingefordert.“ 
Mit dieser Proklamation sind wir durch die Stadt gezogen. An 40 
bis 50 Stellen hat sie Pater Dillon verlesen; neben uns standen zwei 
Offiziere, die Revolver schußbereit auf uns haltend. 20 deutsche In- 
fanteristen folgten, und dem Zuge schlossen sich barmherzige Schwestern 
an. Frauen, Kinder, Männer standen um uns her, weinend und mit 
erhobenen Armen riefen sie jedesmal wieder, sie würden alles tun, um 
von uns den Tod abzuwenden. 
Als wir an der Ecke der Rue Frédéric Lints die Proklamation ver- 
lasen, da wurde doch wiederum auf die Deutschen geschossen. So sind wir 
fünf Stunden durch die Straßen gezogen und haben fünf Stunden lang 
die Proklamation verlesen. Um 3 Uhr nachmittags kehrten wir über- 
müdet zum Bahnhof zurück, wo man uns zu essen gab. Dann bat ich, in 
meine Wohnung gehen zu dürfen, da meine Amtszeit abgelaufen war. 
In hochherziger Weise bot sich ein deutscher Stabsarzt, Dr. Berghausen 
aus Köln, an, mich begleiten zu wollen. Ihm verdanke ich mein Leben. 
Wir waren schon auf der Rue Leopold angelangt, da kracht ein Schuß 
von Marché au Grain herüber. Sofort legen auf der anderen Seite 
deutsche Soldaten auf mich schußbereit an. Da wirft sich mein Begleiter 
vor mich, deckt mich mit seinem Leibe, und ich bin gerettet. 
Im Dominikanerkloster verbringe ich die Nacht. Am nächsten 
Morgen teilte mir die deutsche Behörde mit, daß die Stadt beschossen 
werden wird, und läßt mich zum Bahnhof bringen. Ordensleute, 
Schwestern, Verwundete, Gefangene besteigen einen Militärzug, der uns 
in 20 Stunden nach Aachen bringt. Dem deutschen Arzt, dem ich mein 
Leben verdanke, habe ich keinen anderen Dank sagen können, als daß 
ich ihm die Hand küßte. Worte reichen in solchen Lebenslagen nicht aus. 
(11. September „Deutsche Tagesztg.“.) 
Englischer Neutralitätsbruch. 
Amsterdam, 9. September (Drahtmeldung.) Das „Handels- 
blad“ meldet: Der Dampfer „Zuiderdyk“ von der Holland-Amerika=
	        
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