Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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Stellung, welche für die Türkei gegenüber dem gewaltigen europäischen 
Entscheidungskampf geboten ist, hat sich während des Verlaufes der 
Kriegsereignisse noch vertieft. Das öfter wiederkehrende Gerücht, daß 
der Abbruch der diplomatischen Beziehungen Rußlands bevorstehe, daß 
von Giers schon seine Koffer packe und daß ein russisches Ultimatum 
überreicht werden soll, bleibe nicht bloß ohne Wirkung auf die leitenden 
Persönlichkeiten, sondern vermag überhaupt in türkischen politischen 
Kreisen keine Bewegung hervorzubringen. Daß man in Petersburg vor- 
läufig noch nicht zu raschem Handeln entschlossen ist, scheint aus der ge- 
dämpften Tonart des letzten in Umlauf gesetzten Gerüchtes hervorzugehen, 
wonach der russische Botschafter der Pforte noch einige Zeit zur Ueber- 
tegung lassen wolle. Sollte die türkische Antwort in endgültig verneinen- 
dem Sinne ausfallen, dann werde er Konstantinopel verlassen. In 
unterrichteten Kreisen kann man nicht daran glauben, daß sich die Diplo- 
matie des Dreiverbandes wirklich noch Hoffnungen auf eine Sinnes- 
änderung der türkischen Regierung hingibt. (W.T. B.) 
Weihrauch für Joffre. 
Malmöäö, 16. Sept. „Sydvenska Dagbladet“ meldet aus Bor- 
deaux: Hier wird der Generalissimus Joffre mit Lob überschüttet. 
Die Zeitungen schreiben, daß es ein genialer Zug von ihm war, die 
Unmöglichkeit einzusehen, mit seinem Heere den kompakten deutschen 
Kolonnen, die von Norden kamen, entgegenzutreten. So zog sich denn 
Joffre zurück, während er die deutschen Truppen beschäftigte und er- 
müdete, um schließlich das Schlachtfeld auf flacher Ebene östlich von Paris 
bis Compiègne und Chalons zu wählen, wo das Terrain der französischen 
Armee wohl bekannt ist. Man empfinde Bewunderung, daß General 
Joffre seine Kaltblütigkeit behalten und so gute Ordnung bei seinen 
Truppen bewahren konnte, so daß er seiner Berechnung gemäß dann 
wieder die Offensive ergreifen konnte. Joffre habe die französische Armee 
gelehrt, durch Geduld, Festigkeit und Disziplin zu siegen. 
Wenn die Franzosen mit ihrem Generalissimus zufrieden sind, so 
wollen wir dem nicht widersprechen. Wir sind es auch. Nur daß wir die 
Dinge ein wenig anders ansehen. So ganz freiwillig ist nämlich der 
Rückzug der französischen Truppen nicht gewesen. Im übrigen glauben 
wir, daß sich der General Joffre der Sonne, die ihn jetzt so intensiv be- 
strahlt, nicht lange erfreuen wird und daß sehr bald der Tag kommt, an 
dem sich das Lob der Menge in Fluch verwandelt. Vielleicht weiß es 
Herr Joffre heute selber schon. (Post, 444, 17. September.) 
Einen offenen Brief an den Zaren 
richtet der israelitische Prediger Wolff in Tempelburg. Er knüpft an 
den Aufruf an, den der Zar an „seine lieben Juden“ gerichtet hatte, und 
erörtert scharf die Behandlung, die die Juden in Rußland erfahren 
haben. Daran fügt er folgende Bemerkungen: 
„Majestät! Es gibt eine Nemesis, es gibt eine Vergeltung! Dort 
oben lebt ein Gott der Liebe und der Gerechtigkeit, der da ahndet die 
Sünden der Väter bis ins dritte und vierte Geschlecht; dort oben lebt 
ein Gott, den wir in unseren Gebeten nennen: „einen Gott, der alle 
Wohltaten der Menschen vergilt“. Dort sind auch Ihre Wohltaten,
	        
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