— 377 —
endete, soll jetzt unter der Militärdiktatur zum Hochverratsprozeß gestem-
pelt werden. Die Lage ist ernst, da böser Wille alles mißdeuten kann.“
Die Einigkeit der rumänischen Parteien.
W.T. B. Wien, 18. September. Die „Reichspost“ meldet aus
Bukarest: Wie die konservative so hat nun auch die liberale Partei erneut
Stellung zur politischen Lage genommen. Ueber das Ergebnis der Bera-
tung, an der unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten Bratianu Mit-
glieder der Regierung und verschiedene hervorragende Persönlichkeiten
der Nationalliberalen Partei volle Solidarität mit der Regierung fest-
stellten. Bezüglich der Frage einer eventuellen Einberufung der gesetz-
ebenden Körperschaften zur Festsetzung der notwendigen Maßnahmen
für die durch die außerordentlichen Umstände bedingten finanziellen Be-
dürfnisse wurde beschlossen, die Zweckmäßigkeit sowie die Zeit der Einbe-
rufung vollkommen dem Ermessen der Regierung zu überlassen.
Das russische Manifest in Galizien.
W.T. B. Wien, 18. September.
Zu dem von dem russischen Generalissimus an die Bevölkerung Gali-
ziens gerichteten Manifest schreibt das „Fremdenblatt“: 1
„Gegenüber der zweideutigen unsäglich heuchlerischen Behauptung,
daß Rußland um der kleinen Völker. willen das Schwert gezogen habe,
muf festgestellt werden, daß Rußland gegen die Monarchie deshalb Krieg
führt, weil es die von ihr den kleinen Völkern gewährte Freiheit und
Selbständigkeit, dieses gefährliche Beispiel für seine eigenen unterdrückten
Nationen, nicht länger dulden wollte. Das ganze Verbrechen, welches
Rußland seit vielen Fahren entschlossen war, uns büßen zu lassen, ist, daß
wir ein wirklicher Nationalitätenstaat sind, das heißt, ein Reich, das
seine Nationalitäten als wirklich sichtbare Komponenten bestehen, leben
und sich entwickeln läßt. Was Rußland will, ist nichts anderes, als die
Entnationalisierung und Russifizierung zuerst unserer Slawen, und wenn
dieser Bissen verschluckt und amalgamiert wäre, die der nichtslawischen
Völkerschaften. Mit dem hochbegabten Volke der Finnländer wurde der
Anfang gemacht, und wenn Rußland von Serbien und Bulgarien das
Opfer ihrer Sprache und nationalen Eigenkultur nicht verlangte, ist dies
nichts anderes als Taktik, weil man sie nur so als Elemente eines künf-
tigen Flankenangriffs gegen die Monarchie gewinnen konnte. Mit Hilfe
der noch immer verblendeten Serben und der mittlerweile zur Einsicht
gelangten Bulgaren sollte die Monarchie zertrümmert werden, damit
auch der Weg zur echt russischen Knebelung ihrer Nationalitäten sowie
zur Ausbreitung des Geltungsbereiches der moskowitischen Despotie und
zur Russifizierung bis Konstantinopel und an die beiden Küsten des
Aegäischen und des Adriatischen Meeres freigemacht werde. Während
Oesterreich-Ungarn in diesem Kriege die Idee der Lebensberechtigung
der kleinen Völker überhaupt verteidigt, während diese Idee das Lebens-
prinzip und der Daseinsgrund Oesterreich-Ungarns ist, was ihm seit jeher
den tödlichen Haß Rußlands eintrug, führt Rußland Krieg für die ruch-
lose Idee des despotischen Allrussentums. Der Krieg dieser beiden unver-
söhnlichen Jdeenwelten wurde schon früher diplomatisch im nahen Orient
geführt. Man stelle sich nur vor, daß die Monarchie aufhörte, zu