Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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Verhältnisse liegen, unsinnig, da Deutschland auch zur See die Front nach 
zwei Seiten habe. Die Taktik mit dem Nordostseekanal bietet die größten 
Vorteile seinen Gegnern gegenüber. Dies würde sicherlich eine nahe 
Zukunft beweisen. 
Anmerkung: Unter dem Ausdruck „Fleet-in-being-Taktik“, der sich in 
deutscher Uebersetzung nicht genau wiedergeben läßt, ist zu verstehen eine 
Taktik, die auf dem Einfluß beruht, den eine starke, kampfkräftige Flotte 
lediglich durch die Tatsache ihres Vorhandenseins auf die Kriegführung 
ausübt. Der Auedruck wurde zum erstenmal von dem englischen Admiral 
Torrington im Jahre 1690 angewandt. 
Die Haltung Italiens. 
Köln, 22. September. Ueber Zürich kommende Mailänder Depeschen 
der „Köln. Ztg.“ berichten, daß der „Avanti“ eine Unterredung mit einem 
Minister veröffentlicht. Der Minister soll sich geäußert haben, von einer 
Auflösung des Dreibundes könne keine Rede sein, nicht einmal ein Ein- 
greifen Italiens zugunsten Deutschlands und Oesterreichs sei ganz aus- 
geschlossen, sofern die Lage es erfordere. Nach einer privaten Zusammen- 
stellung wurde die gesamte aktive italienische Armee der ersten Linie ein- 
berufen. (Voss. Ztg., 22. Sept.) 
Was fie alles versprechen. 
J 
Malmö, 21. September. Im „Aftonbladet“ von Stockholm wird 
mitgeteilt, daß von britischer und französischer Seite Italien als Lockmittel 
der größere Teil von Deutsch-Süd= und Ostafrika versprochen worden ist. 
Betreffend die übrigen deutschen Kolonien in Afrika sollten Deutsch-Süd- 
westafrika und Togo an Großbritannien und Kamerun an Frankreich 
kommen. 1 
Ein russischer Diplomat, der mit dem Zaren befreundet ist und gleich- 
zeitig sozialistischen Ideen huldigt, äußerte kürzlich, daß die deutsche Armee 
eine ungeheure, gar nicht vorauszusehende militärische Energie entwickelt 
habe. Auch die Oesterreicher hätten sich brillant geschlagen. Hinter der 
russischen Front sehe es traurig aus. Nicht nur die größten Städte, sondern 
selbst die kleinsten Dörfer seien mit Verwundeten und Kranken angefüllt. 
Das furchtbare Gemetzel müsse aufhören. Bei Beginn des Krieges hatte sich 
derselbe Diplomat überall geäußert, daß die Russen binnen einem Monat 
in Berlin sein würden. Aus allen Deutschen werde Wurst gemacht werden. 
(Post, 21. Sept.) 
Frankreichs Geldnöte. 
W.T. B. Paris, 19. September. „Petit Parisien“ beklagt die 
mangelnde Fürsorge für die Familien der Krieger. 1,25 Fr. täglich für die 
Frau und 0,25 Fr. für jedes Kind sei angesetzt und werde auch in Paris an- 
scheinend bezahlt. In den Ortschaften der Umgebung seien wegen aus- 
gebliebener Zahlung Familienmütter mit mehreren Kindern in jämmer- 
licher Not. 
Die rumänische Regierung wahrt die Neutralität. 
W.T. B. Turin, 22. September. Die „Stampa“ meldet aus Buka- 
rest: Die Regierung wird über mehrere Städte Rumäniens den Belage- 
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