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gemordete Pflegerin nie in Belgien gewesen, obschon sie sich zum Dienst bei
der Front gemeldet hatte. Die von A bis Z erlogene Greuelgeschichte ist
also, wie die „Times“ meint, ein „grausamer Scherz“.
Die „Kölnische Zeitung“ bemerkt dazu: Daß es auch eine ganz unver-
antwortliche Verleumdung der Deutschen sein könnte, will der „Times“
offenbar nicht in den Sinn, vielmehr deutet sie — und das ist wohl der
Gipfel lügenhafter Advokatenkniffe — auf die Möglichkeit hin, daß die
ganze Schauermär von den Deutschen in die Welt gesetzt worden um sie
später als Erfindung zu kennzeichnen und an der Hand dieses Beispiels auch
andere Mordgeschichten als Erfindung hinzustellen. Sie fordert eine ge-
naue Untersuchung. „Nur eine solche Untersuchung kann entscheiden, ob
die Verbreitung jener Geschichte ein verächtliches Manöver im deutschen
Preffeldzug ist oder ein sonderbares Beispiel von Hysterie.“ Wir glaubten
in der besseren englischen Presse hier und da Anzeichen bemerkt zu haben, daß
sie der ewigen Verleumdung müde sei und zu einem anständigen Ton auch
gegen den Feind zurückzukehren wünsche. Wenn die „Times“ aber eine
niederträchtige Verleumdung der Deutschen entweder als deutschen Trick
oder als Erdichtung eines hysterischen Frauenzimmers hinstellt, ohne nur
ein Wort gegen die kritiklosen Verbreiter solcher Ehrenabschneidereien zu
finden, so handelt sie — ganz im Sinne der amtlichen englischen Politik, d. h.
unanständig und lügenhaft. In neutralen Ländern wird man danach sich
ein Urteil über andere gegen die Deutschen gerichtete Verleumdungen bilden
können, und man wird es tun, so peinlich dies auch der „Times“ ist und so
eilig sie mit neuen Verleumdungen die „Offensive ergreift“.
Die englische Marinemission begibt sich nach Sebastopol.
Konstantinopel, 22. September. Die englische Marinemission
mit Admiral Limpus, welche vor einigen Tagen aus dem türkischen Dienst
ausschied, empfing Befehl, sich nach Sebastopol zu begeben, um der russischen
Marine zur Verfügung zu stehen. In Sebastopol sind bereits auch andere
englische Seeoffiziere, von denen ein Teil schon vor Kriegsausbruch ein-
traf, tätig. (Deutsche Tagesztg., 23. Sept.)
Der russische Oberbefehlshaber ermuntert zum Schießen auf die
weiße Flagge.
In einem von umseren Truppen aufgefundenen Originalbefehl des
russischen Reserve-Infanterie-Regiments 221 steht, daß General Rennen-
kampf anempfiehlt, „den weißen Flaggen nicht zu trauen und sie nicht zu
beachten, da es wiederholt erwiesen ist, daß der listige Feind mit der weißen
Flagge Mißbrauch treibt".
Es ist wirklich die Höhe von Unverfrorenheit, daß ein russischer Tages-
befehl uns Mißbrauch der weißen Flagge vorwirft. Der ritterliche Kom-
mandeur unseres ostpreußischen Füsilier-Regiments Nr. 33, Oberst
v. Fumetti, ist von einem russischen Offizier aus der Schützenlinie, die durch
andauerndes Schwenken weißer Tücher und Flaggen ihre Absicht zur Ueber-
gabe —nach Einstellen des Feuers — kundgetan hatte, in meuchlerischer
Weise über den Haufen geschossen worden. Sowohl diese bedauerliche Hand-
lungsweise, wie jener verleumderische Tagesbefehl find „echt russisch“!
Im übrigen sind die deutschen Truppen im Verlaufe dieses Feldzuges
überhaupt nicht in die Lage gekommen, weiße Flaggen zu gebrauchen. Da
solche bei uns auch nur bei der Absendung von Parlamentären gezeigt