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Flotte die Nordküste Frankreichs nicht angreifen wird, und daß wir
die territoriale Integrität und die Unabhängigkeit Belgiens nicht an-
tasten werden. Diese Erklärung wiederhole ich hiermit öffentlich vor
aller Welt, und ich kann hinzusetzen, daß, solange England neutral bleibt,
wir auch bereit wären, im Falle der GEegenseitigkeit keine feindlichen
Operationen gegen die französische Handelsschiffahrt vorzunehmen. (Leb-
hafter Beifall.) Ich wiederhole das Wort des Kaisers:
Mit reinem Gewissen zieht Deutschland in den Kampf. (Allgemeine
Bewegung, Zustimmung und Beifall.) Wir kämpfen um die Früchte
unserer friedlichen Arbeit, um das Erbe einer großen Vergangenheit
und um unsere Zukunft.
Die 50 Jahre sind noch nicht vergangen, von denen Moltke sprach,
daß wir gerüstet dastehen müßten, um die Errungenschaften von 1870
zu verteidigen. Jetzt hat die große Stunde der Prüfung für unser Volk
geschlagen. Aber mit heller Zuversicht sehen wir derselben entgegen. (Stür-
mische Zustimmung.) Unsere Armeesteht im Felde. Unsere Flotte ist kampf-
bereit. Hinter ihnen steht das ganze deutsche Volk. (Stürmischer sich
immer wiederholender Beifall und Händeklatschen auf allen Seiten
des Hauses und auf den Tribünen.) Die Vorlagen bedürfen keiner
Begründung mehr. Ich bitte Sie um schleunige Erledigung. (Erneuter
Beifall, Händeklatschen, tiefe allgemeine Bewegung.)
Das ganze deutsche Volk ist einstimmig! Sie, meine Herren, kennen
Ihre Pflicht in ihrer ganzen Größe. Die Vorlagen bedürfen keiner
Begründung mehr, ich bitte um ihre schnelle Erledigung. (Stürmischer
nicht enden wollender Beifall und Händeklatschen, tiefe allgemeine Be-
wegung.)
Präsident Dr. Kaempf:
Der Ernst der Lage, über den niemand unter uns sich mehr hat täu-
schen können, ist in seinem vollsten Umfange und in seiner vollen Schwere
in den Worten unseres Herrn Reichskanzlers zum Ausdruck gekommen.
Wir befinden uns mächtigen Gegnern gegenüber, die uns von rechts und
links bedrohen, ohne Kriegserklärung über unsere Grenzen hereinge-
brochen sind und die uns den Kampf zur Verteidigung unseres Vater-
landes aufgezwungen haben. Wir sind uns bewußt, daß der Krieg,
in den zu ziehen wir gezwungen find, ein Kampf der Abwehr ist,
gleichzeitig aber auch für Deutschland ein Kampf um die höchsten geistigen
und materiellen Güter der Nation, ein Kampf auf Leben und Tod,
ein Kampf um unsere ganze Existenz. (Stürmische Zustimmung.) Der
Augenblick, in dem der Reichstag sich anschickt, angesichts des Aus-
bruches des Krieges die Gesetze zu votieren, die für den Krieg und für
das Wirtschaftsleben der Nation während des Krieges die sichere Grund-
lage zu bieten bestimmt sind, ist ein feierlicher und tiefernster, zu gleicher
Zeit aber auch ein unendlich großer und erhebender. (Lebhafter Bei-
sall.) Schwere Lasten müssen dem ganzen Volke auferlegt, schwere
Opfer von jedem einzelnen gefordert werden; aber es gibt niemand
im ganzen Deutschen Reiche, der nicht ein volles Verständnis hätte für
das, was auf dem Spiele steht und freudig diese Lasten übernimmt,
freudig bereit ist, diese Opfer dem Vaterlande darzubringen. (Erneuter
Sturm des Beifalls.) Die Begeisterung, die wie ein Sturm durch das
ganze Land braust, ist uns Zeuge davon, daß das ganze deutsche Volk