Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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Ihre Absicht ist nicht nur, England von aller Schuld zu entlasten und diese 
der deutschen und österreichisch-ungarischen Politik zuzuschieben, sondern 
sie sucht Deutschland in höherem Grade als Oesterreich-Ungarn für den 
Krieg verantwortlich zu machen und dadurch zwischen uns und unserem 
Verbündeten Zwietracht zu säen. 
Der englische Botschafter beklagt sich darüber, daß, obwohl die deutsche 
Regierung behaupte, sie habe Sir Edward Greys „Bemühungen um den 
Frieden“ bis ans Ende in Wien unterstützt, der deutsche Botschafter Herr 
v. Tschirschky dabei seine (Bunsens) Mitwirkung ebensowenig wie die des 
russischen und des französischen Botschafters nachgesucht habe. Dieser Be- 
schwerde ist einige Naivität nicht abzusprechen. Es wäre in der Tat höchst 
außerordentlich gewesen, wenn der deutsche Botschafter in Wien bei seinen 
Schritten die Hilfe der Vertreter der Entente erbeten hätte, nachdem 
bereits Sir Edward Greys Versuch, den ferbisch-österreichischen Konflikt, 
zur Moajorisierung Oesterreich-Ungarns vor das Forum der Großmächte 
zu ziehen, als eine Intrige gegen das deutsch-österreichische Bündnis ab- 
gelehnt worden war. Die Anstrengungen der deutschen Regierung, die un- 
ablässig bei unserem Verbündeten auf friedliche Entschließungen in einer 
Weise hinwirkte, wie es England in St. Petersburg zu tun versäumt hat, 
würden in ein sonderbares Licht gerückt worden sein, wenn an die Stelle 
vertraulicher aus den herzlichen Beziehungen zwischen Wien und Berlin 
sich ergebender Ratschläge der Anschein eines europäischen Schiedsspruchs 
getreten wäre. Deutschland sollte seine Bündnisbeziehungen zu Oester- 
reich-Ungarn gefährden, während England sich hütete, den Freund an der 
Newa zu verstimmen. 1 
Fast noch weniger geschickt ist die weitere Behauptung, daß Deutsch- 
land am 31. Juli mit vrauher Hand in die Erfolg versprechenden Verhand- 
lungen zwischen Wien und Petersburg durch sein Ultimatum eingegriffen 
habe, während „#einige Tage Aufschub“ Europa eine furchtbare Heimsuchung 
erspart haben würden. Es sei demgegenüber nur daran erinnert, daß, 
wenn jene nach Sir Maurice Bunsens Auffassung Erfolg versprechenden 
Verhandlungen zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland bis zur letzten 
Stunde fortgeführt wurden, dies gerade auf die ununterbrochene Tätigkeit 
der deutschen Politik für die Erhaltung des Friedens zurückzuführen ge- 
wesen ist. Ohne diese durch Deutschlands Arbeit auch in Wien noch ge- 
schaffene Frist, die England in St. Petersburg ungenutzt verstreichen ließ, 
würde der Krieg um mehrere Tage früher ausgebrochen sein. Denn schon 
am 24. Juli hat die russische Regierung in einem amtlichen Communiqué 
erklärt, sie könne in einem östereichisch-serbischen Konflikt unmöglich un- 
tätig bleiben. Dieser Erklärung folgten militärische Maßnahmen auf 
dem Fuße, die den Beginn der von langer Hand vorbereiteten Mobil- 
machung der russischen Armee darstellten. In einem vom Zaren am 
30. Juli an den Deutschen Kaiser gerichteten Telegramm (Anlage 23 
des deutschen Weißbuchs) wird ausdrücklich mitgeteilt, daß jene militä- 
rischen Maßregeln schon vor 5 Tagen, also am 25., beschlossen worden seien. 
Dagegen erklärte am 27. Juli der Kriegsminister Ssuchomlinow dem deut- 
schen Militärattaché ehrenwörtlich, daß noch keine Mobilmachungsorder 
ergangen sei, daß kein Pferd ausgehoben, kein Reservist eingezogen werde. 
Obwohl in dieser Untexredung dem russischen Kriegsminister kein Zweifel 
darüber gelassen worden war, daß Deutschland Mobilmachungsmaßnahmen 
gegen Oesterreich-Ungarn auch für sich selbst als höchst bedrohlich betrachten 
  
 
	        
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