Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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laufen, bin ich bereit, den englischen Vorschlag oder irgend einen 
anderen, der den Konflikt lösen könnte, anzunehmen. 
Der russische Geschäftsträger in Serbien an Sassonow. 
Nisch, 29. Juli. 
Ich habe den Text der Antwortdepesche S. M. des Kaisers an den 
Kronprinzen Alexander mitgeteilt. Nachdem Pasitsch die Depesche ge- 
lesen hatte, bekreuzigte er sich und sagte: „Mein Herr! Der Zar ist groß 
und gnädig.“ Er umarmte mich dann und konnte seine Rührung kaum 
verbergen. 
Sassonow an die russischen Botschafter im Auslande. 
Petersburg, 2. August. 
Es ist klar, daß Deutschland versucht, die Verantwortung des Ab- 
bruches auf uns abzuwälzen. Unsere Mobilisierung ist von der großen 
Verantwortung diktiert worden, die wir gehabt haben, wenn wir nicht 
alle nötigen Mahnahmen genommen haben in dem Augeublick, in dem 
Oesterreich, das sich mit „pourparlers“ delatorischen Charakters be- 
gnügte, Belgrad bombardierte und die allgemeine Mobilmachung an- 
ordnete. S. M. der Kaiser hatte sich mit seinem Wort dem deutscher 
Kaiser verpflichtet, keine agressive Maßnahme zu treffen, solange die 
Pourparlers mit Oesterreich noch dauerten. (Hat sie aber trotz seines 
Wortes getroffen. D. Red.) Nach einer solchen Garantie und nach all 
den Zeichen der russischen Friedensliebe (1), hatte Deutschland nicht 
mehr das Recht, an unserer Erklärung zu zweifeln, daß wir jede Lösung, 
die mit der serbischen Würde und Unabhängigkeit in Einklang gewesen 
wäre, akzeptiert hätten. Jeder andere Ausweg wäre aber mit unserer 
eigenen Würde nicht in Einklang gewesen und hätte das europäische 
Eleichgewicht zugunsten der deutschen Hegemonie (I) zerstört. Dieser 
europäische, ja internationale Charakter des Konflikts ist unendlich 
bedeutender, als der Prätext, der ihn geschaffen hat. Mit seinem Ent- 
schluß, uns den Krieg zu erklären, während die Verhandlungen unter 
den Mächten noch dauerten (nachdem Rußland entgegen dem Ehren- 
wort seiner leitenden Militärs allgemein, auch gegen Deutschland mobi- 
lisiert hatte! D. Red.) hat Deutschland eine schwere Verantwortung 
auf sich genommen. 
Hat Rußland vielleicht auch schon im Frühjahr, als es seine östlichen 
Truppen mobilisierte, die „große Verantwortung“ zu tragen gehabt, mit 
der Herr Sassonow das russische Vorgehen am 2. August zu begründen 
sucht? Mit der erwiesenen Tatsache der bereits vor Monaten bestehen- 
den kriegerischen Absichten Rußlands fallen alle in den Telegrammen 
angeführten Argumente. 
Englische Schande. 
Bekanntlich hat England stets mit seiner historisch gewordenen 
moralischen Entrüstung den völkerrechtswidrigen Gebrauch von Dum- 
Dumeschossen abgeleugnet, obwohl durch die bei unseren Soldaten 
festgestellten Verwundungen und auch durch das mündliche Jeußuis des 
(nun durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen) Majors Yate det 
Verdacht so gut wie bewiesen war. England hat sich nicht gescheut, mit 
dreister Stirn und mit Hilfe eines raffinierten Lügensystems uns selbs 
 
	        
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