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Rußlands, den Bestand des serbischen Königreichs nicht in Frage stellen
zu lassen, werden wir um so eher unterstützen können, als Oesterreich-
Ungarn diesen Bestand gar nicht in Frage stellt. Es wird leicht sein,
WW’# Verlauf der Angelegenheit die Basis einer Verständigung
zu finden.
Am 27. Juli erklärte der russische Kriegsminister Ssuchomlinowm dem
deutschen Militärattaché ehrenwörtlich, daß noch keine Mobilmachungs-
ordre ergangen sei. Es würden lediglich Vorbereitungsmaßregeln ge-
troffen, kein Pferd ausgehoben, kein Reservist eingezogen. Wenn Oester-
reich-Ungarn die serbische Grenze überschreite, würden die auf Oesterreich
gerichteten Militärbezirke Kiew, Odessa, Moskau, Kasan mobilisiert.
Unter keinen Umständen die an der deutschen Front liegenden: Peters-
burg, Wilna und Warschau. Auf die Frage des Militärattachés, zu
welchem Zwecke die Mobilmachung gegen Oesterreich-Ungarn erfolge,
antwortete der russische Kriegsminister mit Achselzucken und dem Hin-
weis auf die Diplomaten. Der Militärattaché bezeichnete darauf die
Mobilmachungsmaßnahmen gegen Oesterreich-Ungarn als auch für
Deutschland höchst bedrohlich. # den darauf folgenden Tagen folgten
sich die Nachrichten über russische Mobilisierungen in schnellem Tempo.
Unter diesen waren auch Nachrichten über Vorbereitungen an der deut-
schen Grenze, so die Verhängung des Kriegszustandes über Kowno und
der Abmarsch der Warschauer Garnison, Verstärkung der Garnison
Alexandrowo. Am 27. Juli trafen die ersten Meldungen über vorberei-
tende Maßnahmen auch Frankreichs ein. Das 14. Korps brach die Ma-
növer ab und kehrte in die Garnison zurück.
Inzwischen sind wir bemüht geblieben, durch nachdrücklichste Ein-
wirkung auf die Kabinette eine Lokalisierung des Konflikts durchzusetzen.
Am 26. hatte Sir Edward Grey den Vorschlag gemacht, die Dif-
ferenzen zwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien einer unter seinem
Vorsitz tagenden Konferenz der Botschafter Deutschlands, Frankreichs
und Italiens zu unterbreiten. Zu diesem Vorschlag haben wir erklärt,
wir könnten uns, so sehr wir seine Tendenz billigten, an einer derartigen
Konferenz nicht beteiligen, da wir Oesterreich in seiner Auseinander-
setzung mit Serbien nicht vor ein europäisches Gericht zitieren könnten.
Mankreich hat dem Vorschlag Sir Edward Greys zugestimmt, er ist
jedoch schließlich daran gescheitert, daß Oesterreich sich ihm gegenüber,
wie voraugzusehen, ablehnend verhielt.
Getreu unserem Grundsatz, daß eine Vermittlungsaktion sich nicht
auf den lediglich eine österreichisch-ungarische Angelegenheit darstellen-
den österreichisch-serbischen Konflikt, sondern nur auf das Verhältnis
zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland beziehen könnte, haben wir
unsere Bemühungen fortgesetzt, eine Verständigung zwischen diesen beiden
Mächten herbeizuführen. Wir haben uns aber auch bereitgefunden, nach
Ablehnung der Konferenzidee einen weiteren Vorschlag Sir Edward
Greys nach Wien zu übermitteln, in dem er anregt, Oesterreich--Ungarn
möchte sich entschließen, entweder die serbische Antwort als genügend zu
betrachten oder aber als Grundlage für weitere Besprechungen. Die
Oesterreichisch-Ungarische Regierung hat unter voller Würdigung unserer
vermittelnden Tätigkeit zu diesem Vorschlag bemerkt, daß er nach Er-
öffnung der Feindseligkeiten zu spät komme.