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Trotzdem haben wir unsere Vermittlungsversuche bis zum
Aeußersten fortgesetzt und haben in Wien geraten, jedes mit der Würde
der Monarchie vereinbarte Entgegenkommen zu geigen. Leider find alle
diese Vermittlungsaktionen von den militärischen Vorbereitungen Ruß-
lands und Frankreichs überholt worden. Am 29. Juli hat die Russische
Regierung in Berlin amtlich mitgeteilt, daß sie vier Armeebezirke
mobilisiert habe. Gleichzeitig trafen weitere Meldungen über schnell
fortschreitende militärische Vorbereitungen Frankreichs zu Wasser und
zu Lande ein. An demselben Tage hatte der Kaiserliche Botschafter in
Petersburg eine Unterredung mit dem russischen Minister des Aus-
wärtigen, über die er telegraphisch das Folgende berichtete:
„Der Minister versuchte mich zu überreden, daß ich bei meiner Re-
gierung die Teilnahme an einer Konversation zu vieren befürworten
sollte, um Mittel ausfindig zu machen, auf freundschaftlichem Wege
Oesterreich-Ungarn zu bewegen, diejenigen Forderungen aufzugeben,
die die Souveränität Serbiens antasten. Ich habe, indem ich lediglich
die Wiedergabe der Unterredung zusagte, mich auf den Standpunkt ge-
stellt, daß mir, nachdem Rußland sich zu dem verhängnisvollen Schritte
der Mobilmachung entschlossen habe, jeder Gedankenaustausch hierüber
sehr schwierig, wenn nicht unmöglich erscheine. Was Rußland jetzt von
uns Oesterreich-Ungarn gegenüber verlange, sei dasselbe, was Oester-
reich-Ungarn Serbien gegenüber vorgeworfen werde: einen Eingriff in
Souveränitätsrechte, Oesterreich-Ungarn habe versprochen, durch Er-
klärung seines territorialen Desinteressements Rücksicht auf russische In-
teressen zu nehmen, ein großes Zugeständnis seitens eines kriegführen-
den Staates. Man sollte deshalb die Doppelmonarchie ihre Angelegen-
heit mit Serbien allein regeln lassen. Es werde beim Friedensschluß
immer noch Zeit sein, auf Schonung der serbischen Souveränität zurück-
zukommen.
Sehr ernst habe ich hinzugefügt, daß augenblicklich die ganze austro-
serbische Angelegenheit der Gefahr einer europäischen Konflagration
gegenüber in den Hintergrund trete, und habe mir alle Mühe gegeben,
dem Minister die Größe dieser Gefahr vor Augen zu führen.
Es war nicht möglich, Sasonowm von dem Gedanken abzubringen,
daß Serbien von Rußland jetzt nicht im Stich gelassen werden dürfe.“
Ebenfalls am 29. berichtete der Militärattaché in Petersburg tele-
traphisch über eine Unterredung mit dem Generalstabschef der russischen
ermee:
„Der GEeneralstabschef hat mich zu sich bitten lassen und mir er-
öffnet, daß er von Seiner Moajestät soeben komme. Er sei vom Kriegs-
minister beauftragt worden, mir nochmals zu bestätigen, es sei alles so
geblieben, wie es mir vor zwei Tagen der Minister mitgeteilt habe.
Er bot mir schriftliche Bestätigung an und gab mir sein Ehrenwort in
feierlichster Form, daß nirgends eine Mobilmachung, d. h. Einziehung
eines einzigen Mannes oder Pferdes bis zur Stunde, 3 Uhr nachmittags,
erfolgt sei. Er könne sich dafür für die Zukunft nicht verbürgen, aber
wohl nachdrücklichst bestätigen, daß in den Fronten, die auf unsere
Grenzen gerichtet seien, von Seiner Moajestät keine Mobilisierung ge-
wünscht würde. Es sind aber hier über erfolgte Einziehung von Reser-
visten in verschiedenen Teilen des Reichs, auch in Warschau und in