Full text: Der Weltkrieg 1914. Band 1. (1)

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Sonntag, 23. August. Der Rückzug dauert immer noch an auf Befehl 
des Hauptquartiers, das völlig den Kopf verloren zu haben scheint. Ein 
Divisionsgeneral beschäftigt sich auf der Marschstraße damit, die Rotten 
aufschließen zu lassen, damit man schneller vorwärts käme. Eigentlich ist 
das eine Gefreiten-Funktion! 
So kommen wir nach Aufos, wo wir haltmachen. Es gibt keinen Aus- 
druck für diesen Zusammenbruch. Unendlich viel Fehler sollen gemacht 
worden sein. Die Offiziere und Soldaten haben sehr starke Schützengräben 
mit dem Bajonett angegriffen, und die Verluste sollen enorm sein. Es 
scheint, daß man allzu zuversichtlich war und glaubte, die Deutschen müßten 
Fersengeld geben, wenn sie uns nur sähen, da man bei uns auch nicht im 
mindesten an die Sicherung einer Rückzugslinie gedacht hatte. 
Die Schützengräben waren auch nicht einmal von der Kavallerie er- 
kannt worden. 
Freitag, 28. August. Wir quartierten in Maisoncelle, ein Teil von 
uns in den Schützengräben, ein Teil in einer Scheune. Die Infanterie 
ist gekommen, uns ordentlich zu helfen. Am Nachmittag passierten in un- 
aufhörlicher Reihenfolge Verwundete die Straße. Man fragt sich wirklich, 
wozu die Sanitätswagen der Division und die Korps-Ambulanzen eigent- 
lich da sind. Die Verwundeten sind meistens, und das ist das Empörendste, 
von je 2 oder 3 Kameraden begleitet, die nichts mehr und nichts weniger 
sind als elende Drückeberger. Es sind Soldaten aus dem Süden. Sie 
sind umgekehrt, fast ohne zu kämpfen, und sind glücklich, einen Verwunde- 
ten zurückbringen zu können, um einen Vorwand für ihr Ausreißen zu 
haben. Nichtsdestoweniger bleiben sie Großmäuler und rühmen sich ihrer 
schönen Aufführung. 
Sonnabend, 29. August. Heute erhielten wir den ersten Gruß aus 
der Höhe von einem deutschen Flieger. Er warf fünf Bomben, aber nur 
die erste saß. Er tötete 10 Mann und verletzte 20. 
An Wunden gibts ganz schreckliche Reißlöcher, abgetrennte Elied- 
maßen und daneben auch kleine Rißwunden und Schrammen von geringer 
Bedeutung. Im Wagen, den ich zurückgeleite, hört endlich ein armer Kerl, 
dem der rechte Fuß glatt amputiert war, mit der Blutung auf. Ich lege 
ihm einen Verband an, den mein Kollege als zwecklos bezeichnet hatte. 
Ein anderer mit Brustschuß stirbt uns unterwegs. So kommen wir in 
Attigny (an der Aisne 63 Kilometer südwestlich von Paliseul in Belgien, 
wo das erste Gefecht stattfand) an, wo wir ein Relais der Ambulanz vor- 
finden, dem wir unsere Verwundeten übergeben. Das Schauspiel in 
Attigny ist widerwärtig. Es ist die Verrücktheit, die Flucht, und außerdem 
was das Beschämendste ist, die Plünderung. (Die Plünderung und Ver- 
wüstung eines Teiles der Häuser von Attigny wird durch die Berichte von 
Offizieren einer hohen deutschen Kommandobehörde bestätigt. Die Offi- 
ziere kamen mit Automobilen nach Attigny zu einer Zeit, wo noch kein 
deutscher Soldat den Ort betreten hatte. Einwohner erzählten ihnen, daß 
die französischen Truppen wie Vandalen gehaust hätten. Sie seien froh, 
daß mit den Deutschen geordnete Verhältnisse einzögen.) Die Soldaten 
erbrechen die Türen, trinken allen Wein, allen Alkohol, den sie finden 
und plündern sogar die Juwelierläden. Unser Hauptmann läßt einen. 
Sappeur festnehmen, der gerade dabei war, sich eine goldene Kette einzu- 
stecken. Seine Sache ist klar: Kriegsgericht, erschossen! Das sind keine
	        
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