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daß noch keine Mobilmachungsorder ergangen sei. Es würden lediglich
vorläufig Vorbereitungsmaßnahmen getroffen, aber es sei kein Reservist
eingezogen und kein Pferd ausgehoben. Wenn Oesterreich die serbische
Grenze überschreiten werde, so werden diejenigen Militärbezirke, die
auf Oesterreich gerichtet sind, Kiew, Odessa, Moskau, Kasan, mobilisiert
werden. Diejenigen an der deutschen Front Warschau, Wilna, Peters-
burg, unter keinen Umständen. Man wünsche den Frieden mit Deutsch-
land dringend. Auf meine Frage nach dem Zwecke der Mobilmachung
gegen Oesterreich erfolgte Achselzucken, und es wurde auf die Diplomatie
hingewiesen. Ich sagte dem Minister, daß man die freundschaftlichen
Absichten bei uns würdige, aber auch die allein gegen Oesterreich ge-
richtete Mobilmachung als sehr bedrohlich ansehen werde.
Anlage 12.
Telegramm des Reichskanzlers an den Kaiserlichen Botschafter
in London vom 27. Juli 1914.
Von einem Vorschlag Sir Edward Greys, eine Konferenz in London
zu vieren abzuhalten, ist hier bisher nichts bekannt. Es ist für uns
unmöglich, unseren Bundesgenossen in seiner Auseinandersetzung mit
Serbien vor ein europäisches Gericht zu ziehen. Unsere Vermittlungs-
tätigkeit muß sich auf die Gefahr eines österreichisch-russischen Konflikts
beschränken.
Anlage 13.
Telegramm des Reichskanzlers an den Kaiserlichen Botschafter in London
vom 25. Juli 1914.
Die von Sir Edward Grey zwischen österreichisch-serbischem und
österreichisch-russischem Konflikte gemachte Unterscheidung trifft voll-
kommen zu. Wir wollen ebensowenig wie England uns in ersteren
einmischen, und nach wie vor vertreten wir den Standpunkt, daß diese
Frage dadurch lokalisiert bleiben muß, daß alle Mächte sich der Ein-
mischung enthalten. Es ist deshalb unsere dringende Hoffnung, daß
Rußland sich eines jeden aktiven Eingriffs enthalten wird, im Be-
wußtsein seiner Verantwortung und des Enunstes der Situation. Wir
sind, falls ein österreichisch-russischer Streit entstehen sollte, bereit, vor-
behaltlich unserer bekannten Bündnispflichten, zwischen Rußland und
Oesterreich mit den anderen Großmächten zusammen eine Vermittlung
eintreten zu lassen.
Anlage 14.
Telegramm des Reichskanzlers an den Kaiserlichen Botschafter
in Petersburg vom 28. Juli 1914.
Wir bemühen uns unauzggesetzt, Wien zu veranlassen, in Peters-
burg Zweck und Umfang des österreichischen Vorgehens in Serbien in
einer unanfechtbaren und hoffentlich Rußland befriedigenden Weise
klarzulegen. Hieran ändert auch die inzwischen erfolgte Kriegs-
erklärung nichts.