— 28 —
Entgegengesetzter Ansicht sind v. Sarweyts), Gaupp-Gözs9)
und Bluntschliso), die die oben abgelehnte Meinung vertreten,
es sei „der Verzicht eine Regierungshandlung des Herrschers,
wenn auch die letzte“ 51).
Eine mittlere Ansicht hat Rehm ö2), der zwar die Abdankung
für einen Regierungsakt hält, aber dennoch die Notwendigkeit der
Gegenzeichnung ablehnt.
Sehr wertvoll ist nun die Bemerkung Abrahamsös) zur
Unterstützung der vom Verfasser dieser Arbeit vertretenen Ansicht,
daß die Verschiedenartigkeit des Thronverzichts von anderen Re-
gierungshandlungen vor allem darin zu finden ist, daß er im Ge-
gensatz zu den gegenzeichnungsbedürftigen Akten sofort mit Ver-
öffentlichung oder noch früher in Kraft tritt.
Hierzu kommt die rein praktische Erwägung, wohin es führen
sollte, wenn der Thronverzicht abhängig gemacht würde von einer
Gegenzeichnung, die aus irgend welchen Gründen verweigert wird.
Hier würde der betreffende Herrscher zur Beibehaltung gezwungen
werden müssen, während doch staatsrechtlich keine Gewalt über
ihm besteht. ·
Wir müssen also das Erfordernis der Gegenzeichnung ab—
lehnen.
b) Ausdrücklicher Verzicht.
Obgleich es nun bei der Abdankung sich um keinen Regierungs-
akt handelt, so ist es doch ein Akt von tiefster Bedeutung, und
es erklärt sich daraus das in der Literatur vielfach geforderte Ver-
langen nach einer schriftlichen, urkundlichen Erklärung. Wenn
wir uns aus dem geschichtlichen Teil die jeder Form ermangelnde
Erklärung Karl Alberts von Sardinien vergegenwärtigen, können
wir es der italienischen Kammer nachfühlen, die die Abfassung
48) Württemberg. Staatsrecht 1 S. 75.
49) Württemberg. Staatsrecht bei Marquardsen (3. Aufl.) S. 60.
50) Allgemeines Staatsrecht S. 45.
51) Das öffentl. Recht der Gegenwart, Tübingen 1908 S. 67.
52) Modernes Fürstenrecht S. 431.
53) Lehre von der Ministerverantwortlichkeit, Wien 1880.