§ 101. Die Polizei. Allgemeine Grundsätze. 219
Fechster Abschnitt.
Die Landesverwaltung.
I. Kapitel.
Die Polizei.
§ 101. I. Allgemeine Grundsätze ). Die Verwaltung kann ihre auf die freie und
harmonische Entwickelung der Kräfte und die thunlichste Erreichung der berechtigten Zwecke
der im Staate vereinigten Persönlichkeiten gerichtete Thätigkeit in einer doppelten Form
ausüben; einmal durch eigenes Thun in der Form der Pflege durch Anregung, Lehre,
Gewährung von Einrichtungen und Hilfsmitteln, sodann durch mit Zwang verbundene
Einwirkung auf das Thun und Lassen der Staatsangehörigen. Erstere Form der Thätigkeit
ist die verwaltende im engeren Sinne, letztere die polizeiliche2).
Die polizeiliche Form der Thätigkeit kommt wesentlich zum Zwecke des Schutzes des
Staatsganzen oder der Einzelnen vor Gefährdungen zur Anwendung.
Die Polizeigewalt ist hiernach die Befugniß, auf das Thun und Lassen der Staats-
angehörigen zum Schutze der Interessen des Staatsganzen oder der Einzelnen mit Zwang
einzuwirken. Mit dieser Befugniß sind vorzugsweise ausgestattet und gelten als eigentliche
Polizeibehörden: Die Bürgermeister, soweit ihnen die Ortspolizei zusteht, die Bezirks-
ämter, die Landeskommissäre, das Ministerium des Innern. Ausnahmsweise sind einzelnen
anderen Behörden spezielle polizeiliche Befugnisse eingeräumt .
Die Ausübung der Polizeigewalt hat sich aber in bestimmten gesetzlichen Schranken
zu bewegen.
Maßgebend sind, außer den in Spezialgesetzen enthaltenen Sonderbestimmungen, in
sachlicher Hinsicht das Polizeistrafgesetzbuch") in Verbindung mit den allgemeinen Bestim-
mungen und dem Uebertretungsabschnitt (XXIX# des Reichsstrafgesetzbuchs und die auf Grund
dieser Gesetze erlassenen Verordnungen, bezüglich des Verfahrens, die Reichsstrafprozeß-
ordnung mit Einführungsgesetz und das landesherrliche Gesetz über die Einführung der
Reichsjustizgesetze?) nebst der Ausführungsverordnung dazu.
Hiernach steht insbesondere, von den unten zu erwähnenden besonderen Bestimmungen
abgesehen, den Polizeibehörden weder ein allgemeines Verordnungsrecht, noch die eigentliche
Strafrechtspflege und Strafvollstreckung zu.
1) Jolly. Dr. J. Das Polizeistrafgesetzbuch und das Gesetz über die Gerichtsbarkeit rc. 2c.
in Polizeistrafsachen, 2 Thle., Heidelb. 1864 u. 1867. Bingner, Dr. A. u. Eisenlohr, A., Ba-
disches Strafrecht, Heidelb. 1872. — Schlusser, Dr. G., das badische Polizeistrafrecht (neue Be-
arbeitung des 2. Theils des ersteren Werkes), Tauberbischofsheim 1888.
2) Val. hierzu Bingner-Eisenlohr, S. 141 ff., Zeitschr. 1894, S. 33 ff.
3) So den Eisenbahn- und Hafenbehörden.
4) V. 31. Okt. 1883, Reg. Bl. Nr. XLVII, S. 439, vielfach abgeändert und ergänzt, Ges.
v. 23. Dez. 1871 z. Vollz. d. Einf. d. R. Str. G.B., G.u V. Bl. Nr. LI. S. 431;ldh. Verord. v. 20. Sept.
1864, die Ausübung der den Verwaltungsbehörden durch d. R. Str. G. B. vorbehaltenen Zuständigkeiten
betr., Reg. Bl. Nr. XILIX, S. 656, v. 29. Dez. 1871, die Ausübung der den Polizeibehörden durch
d. R. Str G.B. vorbehaltenen Zuständigkeiten betr., G. u. V. Bl. 1872, Nr. I, S. 2.
5) V. 3. März 1879, G.u. V. Bl. Nr. X, S. 91; Verord. d. Min. d. Inn. v. 15. Sept. 1879,
das Lollsei= und Finanzstrafverfahren bei den Bezirksämtern und Bürgermeistern betr., G. u. V. Bl.
r. „S.