Full text: Ereignisse und Gestalten 1878-1918

war Oberprästdent von Hannover. Mit einem älteren liberalen Ab— 
geordneten, den ich durch Herrn v. Miquel kennen lernte, habe ich 
besonders während der zweiten Hälfte meiner Regierungszeit nahe 
Beziehungen gepflogen, es war Herr Seydel (Chelchen), Besitzer 
eines Landgutes im Osten, ein Kopf, dem ein paar kluge Augen aus 
dem glattrasierten Gesicht schauten. Er war Mitarbeiter Miquels in 
Eisenbahn- und Kanalfragen, ein grundgescheiter, einfacher, prakti- 
scher Mann, Liberaler mit konservativem Einschlag. 
Mit der konservativen Partei bestanden naturgemäß zahlreiche Be- 
ziehungen und Berührungspunkte, da die Herren vom Landadel auf 
Hof= und anderen Jagden viel mit mir zusammentrafen oder zu Hofe 
kamen, auch in Hofstellungen Dienst taten. Durch sie konnte ich 
ausgiebige Ortentierung über alle Agrarfragen erhalten und hören, 
wo den Landmamn der Schuh drückte. 
Die Freisinnigen unter threm „unentwegten Führer"“ haben keine 
Beziehung zu mir ausgenommen, sie beschränkten sich auf die Oppo- 
sstion. 
In den Gesprächen mit Benda und Bennigsen wurde oft über 
die Zukunft des Llberglismus gesprochen. Dabei tat Benda einmal 
den interessanten Ausspruch: „Es ist nicht nötig und auch nicht gut, 
wenn der Thronfolger in Preußen in Lberalismus macht, das können 
wir nicht brauchen. Er muß in larger und nicht beengter Weise 
ohne Voreingenommenheit gegen andere Partelen doch im Grunde 
genommen konservativ sein.“ 
Als ich mit Bennigsen die Notwendigkelt erörterte, daß die 
Rattonalliberalen ihr Brogramm, das ursprünglich unter der Devise: 
„Aufrichtung des Deutschen Reiches und Pressefreihelt“ die Mit- 
glieder um die liberale Fahne geschart habe — was nun lange schon 
erreicht sef —, revidferen müßten, damit die werbende Kraft des 
alten preußischen Liberalismus beim Volke nicht verloren gehe, gab 
Bennigsen das zu. Dle preußtschen Liberalen wie Konservativen, 
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