fuhr ich fort, machten beide den Fehler, daß sie noch zu viel Er—
innerungen an die alte Konfliktszeit von 1861 - 1866 bewahrten und
bei Wahl- oder anderen politischen Kaämpfen in Gewohnheiten von
damals zurücksielen. Jene Zeit sel für unsere Generation berelts Ge-
schichte geworden und erledigt. Für uns fange die Jetztzeft mit dem
Jahre 1870, dem neuen Reiche, an) unter 18606 hätten wir einen
Strich gemacht. Man müisse auf dem Boden des Reiches neu bauen,
auch die Parteten müßten sich in khren Zielen danach einrichten, aber
nicht altes Vergangenes, noch dazu Trennendes, mit herübernehmen.
Das ist leider nicht geschehen. Bennigsen machte eine sehr treffende
Bemerkung, indem er sagte: „Wehe den norddeutschen Liberalen,
falls sie unter die Führung der süddeutschen Demokraten kommen
sollten, dann ist es mit dem wirblichen, echten Liberalismus zu Ende.
Dann krlegen wir die verkappte Demokratle von da unten, die können
wir hier nicht brauchen.“
Die ehrenwerte und königstreue konservative Partei hat leider
nicht immer überragende Partefführer hervorgebracht, die zugleich ge-
schickte, taktisch geschulte Bolitsker waren. Der agrartsche Flügel war
zeitweise zu ausgeprägt und bedeutete eine Belastung der Partei.
Auch waren die Erinnerungen an die Konfliktszett noch zu stark.
Ich riet zu dem Zusammenschluß mit den Nationalliberalen, fand
aber wenig Gegenliebe. Ich habe oft darauf hingewiesen, daß die
Natsonallsberalen reichstreu und daher kafserlich gesinnt, also durch-
aus als Bundesgenossen für die Konservatsven zu begrüßen seien.
Ich könne und wolle im Nelche nicht ohne sie, keinesfalls gegen sie
regleren, der norddeutsche Konservativksmus werde in manchen Teilen
des Reiches nicht verstanden, eine Folge der anders gearteten hlsto-
Drischen Entwicklung, deshalb selen die Nattonalliberalen der natür-
liche Bundesgenosse. Aus diesem Grunde habe ich z. B. auch den
Hofprediger Stöcker — einen auf sozialem Geblete in seiner Missions-
tättgkeit glänzend bewährten Mann — aus seinem Amte entfernt,
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