Unrecht — bedrückt fühlten, sowie über ihre Absichten, Hoffnungen
und Wünsche für die Zukunft. Er erwarb sich bald allgemeine An-
erkennung und Beliebtheit bei den Arbeitern und wußte sie so richtig
zu behandeln, daß in seinem Rayon absolute Ruhe herrschte. Durch
nervöse und besorgte Telegramme der Großindustriellen und Behör-
den, die auch beim Nelchskanzler einliefen, veranlaßt, fragte ich bei
Michaelis an, wie die Lage aufzufassen sei. Als Antwort traf folgen-
des Telegramm ein: „Alles ruhig, mit Ausnahme der Behörden."“
Auf Grund aller im Laufe des Frühfahres und Sommers ein-
laufenden Meldungen und Berichte sammelte sich ein Material an,
das klar erkennen ließ, daß in der Industrie nicht alles in Ordnung
war. Mancher Wunsch der Arbekter hatte seine Berechtigung und
hätte zum mindesten wohlwollender Prüfung unterzogen werden sollen,
sowohl seitens der Arbeitgeber, wie der Behörden. Diuese Erkenntiis,
welche auch von mefnem von mir befragten, Iin den sozialen Er-
scheinungen besonders selner Brovinz gut orlentierten früheren Er-
zieher, Geheimrat Dr. Hinzpeter, bestätigt wurde, ließ in mir den
Entschluß reifen, den Staatsrat zusammenzuberufen, zu den Ver-
handlungen Arbeltgeber und Arbeistnehmer hinzuzuziehen und unter
meinem persönlichen Vorsitz eine eingehende Beleuchtung der Arbefster-
frage zu veranlassen. Es sollten dabel leltende Grundsätze und
Materfal gewonnen werden, die dann dem Kanzler und der preußt-
schen Staatsreglerung als Unterlagen für die Ausarbestung dem-
entsprechender Gesetzesvorlagen dfenen sollten.
Mit diesem Gedanken trat ich an Exzellenz v. Bötticher heran,
der sofort den Widerstand des Kanzlers gegen solches Verfahren in
Aussicht stellte und dringend davon abriet. Ich bestand auf meinem
Vorsatz, den Grundsatz Friedrichs des Großen anführend: „Je veur
Etre un rol des gueux“?)) es ses melne Pflicht, für die von der
') „Jch wmill ein König der Armen sein.“
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