Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Die Prüfung fand am 2. April 1873 um 11 Uhr vormittags im 
Kronprinzenpalais im Lateinischen, Griechischen und in Mathematik 
statt; die Examsnatoren waren Hinzpeter, Professor Rühle und drei 
weitere Lehrer des Joachimsthalschen Gymnasiums, dessen Direktor 
dem Abkte beiwohnte. Das Ergebnis der Prüfung war nach dem amt- 
lichen Protokoll, sdaß Brinz Wilhelm die Reife für den Eintritt in die 
Obertertia eines Gymnasiums in vollem Maße, in der Mathematik 
aber die Kenntnisse eines guten Obertertianers besitzto. 
Wer war froher als ich?! Abends durfte ich zur Belohnung 
mit meinen Eltern ins Opernhaus gehen. 
VII. 
Einige Wochen danach, Ende April 1873, erhielt sch für das gut 
bestandene Examen eine Belohnung ganz eigner Art: ich durfte 
meine Eltern auf einer Reise begleiten, die für mich voll reichen Er- 
lebens werden und mir viele neuartige Eindrücke vermstteln sollte. 
Ich folge zunächst wieder meinem „Lebenslauf“: 
Bald darauf reiste ich mit mesnen Eltern nach Wien zur Er- 
öffnung der Weltausstellung. Auf der Reise verblieben wir einige 
Tage in Prag, welche Stadt eine der ehrwürdigsten und merkwür- 
digsten Städte ist, die sch kenne. Ich stand auf dem Boden, auf 
welchem die Hussikenkriege und zkämpfe gespielt, auf welchem Wallen- 
stein und Piccolomink gegangen sind. 
Ich ging auf den Hradschin und stand am Fenster, an welchem 
sozusagen der Dreißigfährige Krieg seinen Anfang nahm, aus welchem 
nämlich Martinitz und Slawata von den Böhmen hinausgestürzt 
wurden,) ich sah auch den Weisen Berg, an welchem das Schicksal 
des neuen Böhmenkönigs bestimmt ward. Aber mit was für Ge- 
danken trat ich in den Palast Wallensteins efn! Das also war das 
Haus des weltberühmten Mannes, hier hatte er gelebt, seine Pläne 
geschmiedet, auf dem Boden, auf dem sch ging, war er gegangen. 
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