Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

ziergängen, zu kleinen und großen Ausflügen. Das Theater, eine 
Oper, ein Museum und eine Bildergalerie schufen vielerlei Bildungs— 
möglichkeiten. Schönes geselliges Leben in der Stadt vermittelte 
anregenden Verkehr. Nimmt man dazu, daß Schloß Wilhelmshöhe, 
wo wir im Sommer wohnen sollten, eine unvergleichliche Lage besitzt, 
so muß man wohl zugeben, daß Hinzpeter eine gute Wahl getroffen 
hatte. 
I. 
Als ich von dem Plane, mich nach Kassel zu verpflanzen, zuerst 
erfuhr, war ich wenig angenehm überrascht. Denn nun sollte ich das 
Elternhaus verlassen, unter dessen Schutz ich aufgewachsen war, sollte 
in die Hand neuer Lehrer gegeben werden und nun mit einem Male 
unter fremden Knaben in einer öffentlichen Schule lernen, mit ihnen 
wetteifern und — unter ihnen bestehen! Es wurde mir doch recht 
unbehaglich zumute. 
Ein Trost war es für mich wenigstens, daß mein lieber Bruder 
Heklnrich mich begleitete; er sollte, da er für den praktischen Beruf 
des Seemanns bestimmt war, die Realschule in Kassel beziehen. 
Außerdem kamen mein „Zivilgouverneur“ Dr. Hinzpeter und mein 
„Milktärgouverneur“ Generalmasor v. Gottberg mit. Letzterer, der seit 
1871 als Nachfolger des Premierleutnants O Danne mich betreute, 
war ein sympathischer und liebenswürdiger Herr, den ich außer- 
ordentlich gern gehabt habe. Ich habe auch in seiner Familie ver- 
kehrt, wo es immer ungemein gemütlich zuging. In Kassel lag ihm 
neben anderem die Verwalkung unseres Hausstandes ob, wodurch 
er oft in Gegensatz zu Hinzpeter gerket. Denn dieser hatte einen 
ebenso großen wie grundlosen Haß auf den General geworfen. 
& 
Bereits wenige Tage nach meiner Einsegnung schlug die Ab— 
schiedsstunde, und es hieß nun, aus dem Clternhause, von Berlin 
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