Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Großen Nutzen habe ich schließlich auch von dem anderen Kunst— 
historiker Bonns gehabt, der der großen Gelehrtenfamilie der Justi 
angehörte. Ganz in seinen Arbeiten lebend, kaum unter Menschen 
gehend, war er nichts weniger als ein Weltmann, trug aber aus- 
gezelchnet vor. Die Kunst der Renaissance und die alten Meister 
lebten förmlich unter seinen Worten auf. Auch sein Kolleg habe ich 
auf die Gewinnseite meiner Studienzeit zu buchen. 
Schließlich gedenke ich noch zweier akademischer HLehrer, bei denen 
ich zwar nicht gehört habe, die mir aber gesellschaftlich näher getreten 
sind. Der eine war Professor Schaafhausen, ein bedeutender Phy- 
siologe und Bhrenologe; den Verkehr in seinem Hause machte ein 
Kranz liebenswürdiger Töchter, die den verwitweten Bater umgaben, 
ungemein heiter und frohsinnig. Der andere Herr war Professor 
Sell, seine Gestalt ragte als Wahrzeichen aus uralten Zeiten noch 
in unsere Jugend hinein. Er besaß von feher eine besondere Vor- 
liebe für das Korps Borussia, wo der alte Herr durch ebenso 
launige, wie formvollendete Reden sich die Herzen seiner Zuhörer 
gewann. Seine Höflichkeit war sprichwörtlich, da er jedem Studenten, 
der ihn auf der Straße grüßte, durch schwungvolles Abnehmen seines 
Hukes dankte. Dies veranlaßte oft die akademischen Jünglinge, 
wenn sie ihm zu zweien begegneten, sich zu teilen, um ihn zwischen 
sich hindurchgehen zu lassen, wobei sie a tempo grüßten — worauf 
der freundliche alte Herr niemals verfehlte, mit liebenswürdigem 
Lächeln erst den Gruß des einen und dann, sich umwendend, den des 
andern zu erwidern. 
III. 
Nicht nur der strengen Wissenschaft, nicht nur dem Berkehr mit 
Professoren habe ich meine Zeit in Bonn gewidmetl 
Schäumende Jugendlust suchte und fand Verkehr mit Glesch- 
gestimmten. 
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