tierten mich über die Zarenfamilie und über die bevorstehenden Fest-
lichkeiten. Auf dem Bahnhof in Petersburg, wo icch am Nachmittag
des 10. Mai ankam, war der übliche Empfang, auch sämtliche Groß-
fürsten waren erschienen, und Großfürst Wladimir hieß mich im Auf-
trag des Zaren willkommen. Er brachte mich bei Schlackerwetter
und Regen (Rasputiza) nach dem Winterpalais, wo ich von den
Majestäten empfangen wurde. Ich benutzte die Gelegenheit, um dem
Zaren sogleich einen Brief meines Großvaters zu überreichen.
Als ein Zeichen besonders zarter Aufmerksamkeit seitens des Zaren
empfand ich es, daß er mir zu meinem Aufenthalt das Ouartier
genau unter demjenigen hatte anweisen lassen, in welchem mein Groß-
vater gewohnt hatte, wenn er Betersburg besuchte. Der Blick aus
den Genstern fiel auf den großen Blatz vor dem Winterpalais, die
Admiralität sowie auf ein Stück Newakai. Auf dem Platz war,
durch eine hohe Umzäunung gegen Blicke Neugieriger geschützt, auf
Befehl Alexanders III. ein Garten angelegt worden, in dem sich die
Kaiserliche Familie ungestört ergehen konnte. Die Zimmer waren
wohnlich im Geschmack der dreißiger Jahre eingerichtet, nur die starke
Heizung mit heißer Luft verursachte Unbehagen, da die Fenster, die
vom Winter her noch verklebt waren, mit Ausnahme eines kleinen
Scheibchens nicht geöffnet werden konnten. Ein alter dänischer
Kammerdiener der Zarin, der deutsch und russisch konnte, hat vor-
trefflich für mich gesorgt. Die Verpflegung, vor allem was Tee und
Gebäck sowie Suppen und Fischspeisen der rein russischen Küche be-
traf, war ausgezeichnet.
Bei den Festlichkeiten fiel es mir leicht, mit der Katserlichen
Famille bekannter zu werden, da alle mir mit der sprichwörtlichen
russischen Kiebenswürdigkeit und Ritterlichkeit entgegenkamen. Die
männlichen Mitglieder der Familie boten einen imposanten Anblick,
da sie meist das durchschnittliche Größenmaß überschritten, sie alle
aber wurden von der gewaltigen, robusten Gestalt Zar Alexanders III.
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