lich. Anfang März übernahm der Geheime Medizinalrat Professor
Gerhardt in Berlin die Behandlung der Krankheit, die er als eine
polypöse Verdickung des Stimmbandrandes diagnostizierte. Nun be-
gannen für meinen armen Vater tägliche Quälereien, da Geheimrat
Gerhardt versuchte, mit Hilfe von Glühdraht und Kneifzange die
Geschwulst zu beseitigen. Anläßlich des 90. Geburtstagsfestes meines
Großvaters, das meinem Vater viele Repräsentationspflichten auf-
erlegte, wurden diese Operationen auf acht Tage ausgesetzt, dann
wieder zehn Tage lang vorgenommen. Am 13. April fuhr mein Bater
nach Ems, um dort eine Kur zu versuchen. Als er am 105. Mai
zurückkehrte, mußte Gerhardt feststellen, daß diese nichts geholfen hatte
und die Geschwulst bedeutend gewachsen war.
Nunmehr beantragten Geheimrat Gerhardt und Generalarzt
Dr. Wegner, der Leibarzt meines Baters, die Heranztiehung eines
Chirurgen, als den man Geheimrat v. Bergmann in Berlin wählte.
Es fand darauf eine Konsultation statt, bei der v. Bergmann und
Gerhardt bereits den Verdacht auf Krebs aussprachen und ersterer
den dußeren Kehlkopfsschnitt vorschlug. Alle drei Arzte aber bean-
tragten, einen namhaften Larpngologen hinzuzuziehen, um eine Be-
stätigung der Diagnose zu gewinnen. Von den drei ausländischen
Speztalärzten, die in Vorschlag kamen, einigte man sich einstimmig
auf den von Dr. Wegner vorgeschlagenen englischen Larpngologen
Dr. Morell Mackenzie. Einige Tage später fand eine neue Konsul-
tatson statt, an der außer den schon genannten Arzten sowie Dr. v. Lauer
und Dr. Schrader auf Befehl meines Großvaters auch der Berliner
Professor Tobold teilnahm. Da auch Tobold die Krankheit als Krebs
bezeichnete, wurde von den Arzten die operative Entfernung des kranken
Stimmbandstückes — nicht die völlige Herausnahme des Kehlkopfes —
beschlossen. Als einzige nachteillige Folge der Operation, die man
angesichts des schweren HLeidens mit in Kauf nehmen mußte, stellten
die Arzte Rauhelt und Hetlserkeit der Stimme in Aussicht. Mein
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