seiner Erfahrungen aus der Stadtmission eine niederschmetternde
Schilderung von der Not in den Berliner Vorstädten, während ich
selbst mich mit einigen Worten für die Pflege des christlichsozialen
Geistes einsetzte. Aus dieser Sitzung machte die mir übelwollende
Presse die sogenannte „Waldersee-Bersammlung"“ und überhäufte so-
wohl den Grafen wie vor allem meine Frau und mich mit maß-
losen Berdächtigungen, Berleumdungen und Angriffen. Schmerzlich
war es mir, daß Fürst Bismarck sich in diesem Falle, der mit Politik
nichts zu tun hatte, auf die Seite meiner Gegner stellte. Der Brief-
wechsel, den ich deswegen mit dem Kanzler geführt habe, ist in-
zwischen bekannt geworden. Alsbald nach seiner Rückkehr nach Berlin
hat dann auch die Aussöhnung stattgefunden, eine „Verstimmung“,
wie Fürst Bismarck anzunehmen schien, hat weder dieser Borgang
noch der betreffs der geplanten Proklamatfon an die Bundesfürsten
bei mir zurückgelassen.
Allen Gegenbestrebungen und Ouertreibereien zum Trotz wurden
die Mittel für die Stadtmission aufgebracht, so daß den Armen
Berlins ausgiebig geholfen werden konnte. Und aus der Unterstütung
der Stadtmisston ging die Gründung des „Evangelisch-kirchlichen
Hilfsvereins" hervor, der unter der Leitung des trefflichen Oberhof-
meisters Freiherrn v. Mirbach Unvergängliches auf dem Gebiet des
Kirchen= und Kapellenbaues geleistet hat. Nicht sowohl der äußere
Erfolg unserer guten Sache, als vor allem die zahlreichen rührenden
Dankesbriefe aus Arbeiterkreisen waren uns ein schöner Lohn für
die erlittenen Kränkungen.
XII.
Die Tage des großen Kaisers neigten sich dem Ende zu.
In weiter Ferne schien die Zeit zu liegen, da er auf der Jagd beim
Fürsten Stolberg in Wernigerode noch eine große Strecke gemacht,
außerordentlich angeregt und unterhaltsam gewesen war — und doch
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