Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Mehrere Tage lang war der Zustand des Kaisers hoffnungslos, die 
Arzte glaubten das Ende nahe. Doch ging die Gefahr vorüber, und 
mein Vater erholte sich wieder. 
IV. 
Am 24. April traf Königin Victoria von England mit ihrer 
Tochter Beatrix und khrem Schwiegersohn Prinz Heinrich von Batten- 
erg in Charlottenburg ein. Sie wurde von meinen Geschwistern 
md mir im Auftrage meines Baters empfangen und nach dem 
Schlosse geleitet, wo sse von meiner Mutter in tiefer Bewegung be- 
rüßt wurde. Die Königin wurde in dem östlichen Seitenpavillon 
es Schlosses untergebracht, dessen Räume meine Mutter mit den 
ostbarsten Möbeln und Stoffen in friderizkanischem Rokoko kunst- 
nnig hatte ausstatten lassen. Zum Abendessen wurden verschiedene 
ervorragende Persönlichkeiten aus Berlin zur Vorstellung bei der 
königin eingeladen, an ihrer Spitze Fürst Bismarck. 
Da meine Großmuktter den Wunsch geäußert hatte, von den 
Truppen der preußischen Garde etwas zu sehen, so befahl mein Bater, 
daß das 4. Garde-Regiment zu Fuß von meiner Brigade und das 
Regiment der Gardes du Corps aus Potsdam zur Parade vor meiner 
Großmutter auf dem Charlottenburger Exerzierplatz zu erscheinen 
hätten, mir gab er den Auftrag, das Kommando zu übernehmen. 
Königin Bictorka kam mit meiner Mutter im Bierspänner heraus, 
ich kommandierte das Präsentieren und begleitete dann den Wagen 
meiner Großmutter die Front der beiden Regimenter entlang. Die 
Parademärsche fanden den ungeteilten Beifall der Königin, neben ihr 
haltend, konnte ich an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, wie stark das 
militärische Bild ste fesselte. Am Schluß der Parade sprach ste mir 
ihre Freude aus, daß mein Bater mich, ihren Enkel, dazu ausersehen 
habe, ihr die schönen Regimenter vorzuführen. Es seten die ersten 
preußischen Truppen, die sie seit ihrem Besuch in Koblenz als funge 
Königin wiedersähe. 
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