Mehrere Tage lang war der Zustand des Kaisers hoffnungslos, die
Arzte glaubten das Ende nahe. Doch ging die Gefahr vorüber, und
mein Vater erholte sich wieder.
IV.
Am 24. April traf Königin Victoria von England mit ihrer
Tochter Beatrix und khrem Schwiegersohn Prinz Heinrich von Batten-
erg in Charlottenburg ein. Sie wurde von meinen Geschwistern
md mir im Auftrage meines Baters empfangen und nach dem
Schlosse geleitet, wo sse von meiner Mutter in tiefer Bewegung be-
rüßt wurde. Die Königin wurde in dem östlichen Seitenpavillon
es Schlosses untergebracht, dessen Räume meine Mutter mit den
ostbarsten Möbeln und Stoffen in friderizkanischem Rokoko kunst-
nnig hatte ausstatten lassen. Zum Abendessen wurden verschiedene
ervorragende Persönlichkeiten aus Berlin zur Vorstellung bei der
königin eingeladen, an ihrer Spitze Fürst Bismarck.
Da meine Großmuktter den Wunsch geäußert hatte, von den
Truppen der preußischen Garde etwas zu sehen, so befahl mein Bater,
daß das 4. Garde-Regiment zu Fuß von meiner Brigade und das
Regiment der Gardes du Corps aus Potsdam zur Parade vor meiner
Großmutter auf dem Charlottenburger Exerzierplatz zu erscheinen
hätten, mir gab er den Auftrag, das Kommando zu übernehmen.
Königin Bictorka kam mit meiner Mutter im Bierspänner heraus,
ich kommandierte das Präsentieren und begleitete dann den Wagen
meiner Großmutter die Front der beiden Regimenter entlang. Die
Parademärsche fanden den ungeteilten Beifall der Königin, neben ihr
haltend, konnte ich an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, wie stark das
militärische Bild ste fesselte. Am Schluß der Parade sprach ste mir
ihre Freude aus, daß mein Bater mich, ihren Enkel, dazu ausersehen
habe, ihr die schönen Regimenter vorzuführen. Es seten die ersten
preußischen Truppen, die sie seit ihrem Besuch in Koblenz als funge
Königin wiedersähe.
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