Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Am nächsten Tage, es war der 29. Mai, fand ein lebhaftes Ge— 
fecht auf dem Tegeler Schießplatz statt, das durch einen geschickten 
Glankenangriff des Garde-Füsilierregiments entschieden wurde. Nach 
Abbruch der Ubungen wurde den Mannschaften der drei Regimenter 
meiner 2. Garde-Infanterie-Brigade mitgeteilt, daß ihnen die Ehre 
bevorstehe, vor ihrem Allerhöchsten Kriegsherrn vorbeizumarschieren, 
worüber die Freude groß war. Zubelnd und singend wurde die Strecke 
vom Tegeler Schießplatz nach dem Park von Charlottenburg zurück- 
gelegt. Innerhalb des Parktores ließ ich, entsprechend dem besonderen 
Befehl des Kaisers, Kompagniekolonnen formieren, dann wurde mit 
schlagenden Tambours und spielenden Regimentsmusiken die Garten- 
fassade des Charlottenburger Schlosses entlang der Parademarsch aus- 
geführt. Mein Bater saß während des Vorbeimarsches in vollor 
Uniform, den Helm auf dem Haupte, den Körper mit aller Gewalt 
in straffe Haltung gezwungen, in seinem offenen Wagen: ich selbst 
hielt am Wagenschlag schräg hinter ihm. Es war ein unvergeßlicher, 
alle Teilnehmer tief ergreifender Borgang, denn dieser Vorbeimarsch 
meiner Brigade sollte, wie allen eine bange Ahnung sagte, die ein- 
zige Heerschau meines armen Baters sein. Als die Regimenter 
vorbeidefiliert waren, drückte er mir in tiefer Bewegung weinend 
die Hand, zeigte nur immer auf sein Herz und überreichte mir 
einen Zettell, auf dem geschrieben stand: „Das sind nun meine 
Truppen“, und einen anderen: „Zufrieden, und eine große Freude 
empfunden.“ 
Als ich dann die bereits mir voraus auf dem Marsche nach 
Berlin befindlichen Bataillone entlangsprengte, fand ich sie in tiefes 
Schweigen gehüllt, das wie eine Lähmung auf ihnen lag. Das 
in ihrer Erinnerung lebende Bild der mannhaften Schönheit mei- 
nes Vaters stand in furchtbarem Gegensatz zu dem, was sie so- 
eben erblickt hatten. Erst weit im Tiergarten befindlich vermochten 
sie den Bann von sich abzuschütteln. Die Stelle, an der der 
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