Am nächsten Tage, es war der 29. Mai, fand ein lebhaftes Ge—
fecht auf dem Tegeler Schießplatz statt, das durch einen geschickten
Glankenangriff des Garde-Füsilierregiments entschieden wurde. Nach
Abbruch der Ubungen wurde den Mannschaften der drei Regimenter
meiner 2. Garde-Infanterie-Brigade mitgeteilt, daß ihnen die Ehre
bevorstehe, vor ihrem Allerhöchsten Kriegsherrn vorbeizumarschieren,
worüber die Freude groß war. Zubelnd und singend wurde die Strecke
vom Tegeler Schießplatz nach dem Park von Charlottenburg zurück-
gelegt. Innerhalb des Parktores ließ ich, entsprechend dem besonderen
Befehl des Kaisers, Kompagniekolonnen formieren, dann wurde mit
schlagenden Tambours und spielenden Regimentsmusiken die Garten-
fassade des Charlottenburger Schlosses entlang der Parademarsch aus-
geführt. Mein Bater saß während des Vorbeimarsches in vollor
Uniform, den Helm auf dem Haupte, den Körper mit aller Gewalt
in straffe Haltung gezwungen, in seinem offenen Wagen: ich selbst
hielt am Wagenschlag schräg hinter ihm. Es war ein unvergeßlicher,
alle Teilnehmer tief ergreifender Borgang, denn dieser Vorbeimarsch
meiner Brigade sollte, wie allen eine bange Ahnung sagte, die ein-
zige Heerschau meines armen Baters sein. Als die Regimenter
vorbeidefiliert waren, drückte er mir in tiefer Bewegung weinend
die Hand, zeigte nur immer auf sein Herz und überreichte mir
einen Zettell, auf dem geschrieben stand: „Das sind nun meine
Truppen“, und einen anderen: „Zufrieden, und eine große Freude
empfunden.“
Als ich dann die bereits mir voraus auf dem Marsche nach
Berlin befindlichen Bataillone entlangsprengte, fand ich sie in tiefes
Schweigen gehüllt, das wie eine Lähmung auf ihnen lag. Das
in ihrer Erinnerung lebende Bild der mannhaften Schönheit mei-
nes Vaters stand in furchtbarem Gegensatz zu dem, was sie so-
eben erblickt hatten. Erst weit im Tiergarten befindlich vermochten
sie den Bann von sich abzuschütteln. Die Stelle, an der der
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