Heute morgen fuhr ich in die Festung zum Grabe des seligen Kaisers und
glaubte Deinen Intentionen nachzukommen, indem ich auf seinen Sarkophag
einen Kranz niederlegte. Ich muß gestehen, daß mich ein Gefühl der Wehmut
momentan beschlich, als ich an der Grabstätte des stets für uns freundschafe-
lich gesinnten und so liebenswürdigen Monarchen stand! — Nach Abmachen
der verschiedenen Bisiken begab ich mich in der preußischen Gala in die Ge-
mächer hinauf, in denen Du zuletzt gewohnt, an der Ecke nach der Newa
hinaus — welche gerade über den meinigen liegen — und übergab dann die
Ordensinsignien sowie Dein Allerhöchstes Schreiben in Anwesenheit Sr.
Masestät des Kaisers und der Familie. Hierauf befahl der Katser mir, ihn
zu begleiten, und schritt derselbe alle in den verschiedenen Sälen aufgestellten
Truppendeputationen ab. Dieselben machten einen ausgezeichneten Eindruck,
und konnte man sich dem Gedanken nicht verschließen, daß in der Menge die
russische Uniform doch ganz gut aussieht. Am meisten heimelte mich das
egiment Bavlowsk an mit den Grenadiermützen. Von jedem Garde-
regiment und den in der Stade stehenden Linienregimentern waren 2 Züge
mit der Fahne erschienen. Schon am Morgen war ich verschtedenen Ab-
teilungen in den Straßen begegnet, die Fahnen nach dem Winterpalais
brachten. Die Truppen hatten graue Mäntel, Lederzeug — eine unlackierte
Tasche an der rechten Seite — und über denselben ein in Kreuzform über-
einander geschlagenes Baschlik. Haltung und Griffe auf der Straße waren
ebenso schlapp und bummelig als stramm und gut in den Sälen, wo die
ruppen ohne Mantel standen. Ganz süperbe sahen die Deputationen der
Chevaliers Garde und Garcle à cheval aus. Die Leute wie aus dem Ei
gepellt und schlank und gerade wie die Lichter. Sehr kühn und ansprechend
machten sich auch die Matrosenabkeilungen, welche zur Auszeichnung für den
Krieg das Georgenband um die Mütze tragen. Nachdem die Aufstellung der
Truppen besichtigt war, kehrken wir in die Versammlungszimmer zurück, und
hatte ich einen Augenblick Zeit, mich schnell in die russische Uniform lzu
werfenl. Als ich wieder erschien, keilte mir Se. Majestät der Kaiser in den
liebenswürdigsten Ausdrücken mit, daß er, erfreut durch meine Anwesenheit
und durch Deine Attention, mich zum Chef des ersten Regimenks der 22. Divi-
sion, Wiborg No. 8, gemacht und dies im Tagesbefehl an die Truppen ver-
kündigt sei. Man rangierte sich nun zum Zuge, wobei mir die Ehre zuteil
ward, J. Majestät die Königin von Griechenland zu führen. Wir gingen
durch alle Säle durch, während die Musikkorps die Nationalhymne an-
stimmten, nach der Schloßkapelle, woselbst die kirchliche Feier stattfand.
Nach einem längeren, schönen Gottesdienst trat der kleine Thronfolger
vor und verlas mie lauter, fester, energischer Stimme den Eid. Die Majestäten
und wir alle waren kief ergriffen, und liefen dem Kaiser die hellen Tränen
während der Feit hinab. Nach dem Schlußgesang ging der Zug in einen ande-
ren Saal, wo die Fahnen alle versammelk waren. Nachdem Ihre Wajestät
377