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macht. Ferner ist die Zuständigkeit des Bundesrates an die
Voraussetzung geknüpft, daß die Verfassung des betreffenden
Staates eine Behörde zur Entscheidung solcher Streitigkeiten
nicht bestimmt#).
Wird der Bundesrat nun von einem der streitenden Teile
angerufen, so hat er zunächst zu versuchen, zwischen den ar-
teien einen Vergleich zustande zu bringen, oder er kann ihnen
den Vorschlag machen, sich auf ein Schiedsgericht zu einigen.
Schlägt dieser Versuch des gütlichen Ausgleiches fehl, dann hat
er den Streit im Wege der Reichsgesetzgebung zur Erledigung
zu bringen. In diesem JFalle findet also ein Zusammenwirken
von Bundesrat und Reichstag statt. Im Gegensatz zu Abs.1
des Art. 76, wo der Bundesrat als alleiniger Richter berufen
ist, sind bier seiner Tätigkeit engere Grenzen gezogen. Das
Verfahren ist zwar an und für sich viel umständlicher, recht-
fertigt sich aber, wenn man das Wesen des Verfassungsstreites
berücksichtigt und bedenkt, daß, wenn der Bundesrat, das Organ
der verbündeten Regierungen, zum alleinigen Richter des Streit-
falles berufen wäre, dies offenbar eine Benachteiligung der
Gegenpartei, der Volksvertretung, bedeutete, zumal der Bundes-
rat aus politischen Rücksichten sich durchweg auf die Seite der
Regierung stellen würde. Am aber jeder Partei gerecht zu
werden, ist auch der Reichstag als Volksvertretung zur Mit-
wirkung bei der Entscheidung von WVerfassungsstreitigkeiten be-
rufen.
Z. Entscheidung
in Fällen der Justizverweigerung.
Art. 77 d. R W.
Art. 77 d. R. räumt dem Bundesrat das Recht ein, bei
Fällen einer Justizverweigerung, wenn auf gesetzlichen Wegen
92) So z. B. in Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig und anderen
Staaten. Vgl. Schulze, a. a. O. Bd. II S. 62.