Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Erster Band. Der Weg zur Revolution 1914-1918. (1)

92 Neuntes Kapitel 
über Deutschland ausgeschlossen erscheine. Nun, die „russische Mit- 
wirkung“ hat sich später ja nicht nur die Entente, sondern auch die 
U. S. P. D. zu sichern gewußt. 
Als Weg zum Frieden schlug der unabhängig-sozialistische aus 
Galizien eingewanderte Journalist Kurt Eisner (mit richtigem Namen: 
Kosmanowsky) vor: Wiederherstellung der Preß= und Versammlungs- 
freiheit, dauernde Tagung des Reichstags, Veröffentlichung der diplo- 
matischen Verträge der Jentralmächte, Klarstellung der Kriegsziele in 
allen Einzelheiten, Auflösung des preußischen Abgeordnetenhauses und 
Neuwahlen, sowie den Verzicht auf jeden Separatfrieden, der nur den 
allgemeinen Frieden verhindere. 
Man sieht, der außerpolitische Horizont der „Unabhängigen“ unter- 
schied sich an Weite nicht wesentlich von dem ihrer ehemaligen Partei- 
genossen. Nebenbei bemühte sich ihre Presse mit besonderem Eifer 
darum, den Tauchbootkrieg als verfehlt darzustellen („Unabhängiger 
Sozialdemokratischer Zeitungedienst“ vom 28. Dezember), verständnis- 
voll unterstützt vom „Vorwärts“ (31. Dezember). 
Ülber die bolschewistische Taktik urteilte der unabhängige Abg. Eduard. 
Bernstein in der „Sozialistischen Auslandskorrespondenz“, er mißbillige 
es, daß die Bolschewiki ihr Land wehrlos gemacht hätten, ehe noch 
der Frieden geschlossen war. „Wer nicht entschlossen ist, gegebenenfalks 
den bewaffneten Widerstand fortzusetzen, der kann wohl Wünsche aus- 
drücken, aber keine unabweisbaren Forderungen stellen.“ Auch sei 
Lenins Fehler die Hoffnung auf ein internationales revolutionäres 
Vorgehen gewesen: „Diese Rechnung übersieht die ungeheueren Unter- 
schiede in den politischen und sozialen Verhältnissen der in Frage kom- 
menden Länder.“ 
Die Tätigkeit der U. S. P. D. in der Praxis war jedenfalls nicht 
von solcher Gedanken Blässe angekränkelt. Ihre Presse beeilte sich, 
durch Sturmlauf gegen die deutschen, als rein annerionistisch bezeich- 
neten Ansprüche bei den Friedensverhandlungen, Anschluß bei den Bol- 
schewiki zu gewinnen, möglichst auf Kosten der Mehrheitssozialdemo- 
kratie, und ihnen gute Ratschläge zu erteilen. So schrieb die „Leipziger 
Volkszeitung“ — ganz im Geiste Lenins —, die Bolschewiki müßten 
ihre Macht durch rücksichtslose antidemokratische Diktatur aufrecht 
erhalten; der einzige wirkliche Mißgriff in ihrer bisherigen Außenpolitik 
sei, daß sie mit Scheidemanns Anhang in Verbindung getreten seien.
	        
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