98 Neuntes Kapitel
„Verlautbarung“ über den Frieden zu zwingen, die sie in Graf Czer-
nins Worten erblickten. So kam es, daß die Bewegung ihre Formen
und Ausdrücke von den russischen und österreichischen Vorbildern ent-
lehnte. Schon damals zeigte sich das gänzliche Fehlen eigener Gedanken
bei den späteren „Machern der deutschen Revolution“.!)
Über die Entwicklung der Bewegung schreibt Emil Barth in
seinem Buche:
„Eo waren Richard Müller, Paul Eckert und dann nach und nach
noch andere Genossen, oder besser gesagt, Kollegen aus der mittleren
Verwaltung des Metallarbeiterverbandes, welche die Vorbereitungen zu
dem Streib getroffen haben. Sie waren mehr aus Gefühl, als aus
Erkenntnis, daß eine erneute Bewegung unbedingt von großen politischen
Gesichtspunkten geleitet werden müsse, mit dem Parteivorstand der
U. S. P. D., wie schon gesagt, in Verhandlungen getreten, um ihn zu
veranlassen, durch einen mit seiner Unterschrift gezeichneten Aufruf
zu einer allgemeinen Massenaktion aufzufordern.
Die Bewegung selbst wurde so vorbereitet, daß in hierzu am Sonn-
tag, den 21. Januar, einberufenen Branchenkonferenzen und Branchen-
versammlungen der Streik zum anderen Morgen beschlossen wurde, und
das Flugblatt am Montag früh erst verteilt wurde. Mittwochs hatte
nun eine Vorbesprechung stattgefunden, an der auch ein Spartakist
teilgenommen hatte, und schon am Freitag wurde von den Spartakisten
ein Flugblatt mit der Aufforderung zum Generalstreik am Montag ver-
teilt. Das war frevelhafte, an Verrat grenzende Leichtfertigkeit, die
von dem Bestreben diktiert war, sich die Urheberschaft zuschreiben zu
können. Hätte das Oberkommando, hierdurch gewarnt, den verschärften
Belagerungzustand verhängt, dann wäre die Bewegung erledigt ge-
wesen. Doch glücklicherweise kam dies nicht.
Am Montag früh begann der Streik, die Betriebe wählten Ar-
beiterräte, und die im Gewerkschaftshaus tagende Arbeiterratsversamm-
lung wählte einen Aktionsausschuß: 10 Kollegen, drei Parteileitungs-
mitglieder der U. S. P. D. und drei der S. P. D.“
Die Streikenden stellten an Forderungen auf:
1. Schleunige Herbeiführung des Friedens unter den von den
Bolschewiki formulierten Bedingungen.
2. Beteiligung von Arbeitervertretern bei den Friedensverhandlungen.