Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Erster Band. Der Weg zur Revolution 1914-1918. (1)

Der „Freisinn“ als brillanter Sekundant 101 
lichen Unterstützungsfrage bemerkbar machte, nach etwa acht Tagen 
zusammen. 
Ließ der Streik auf der einen Seite die Gefährlichkeit der radikalen 
Agitation und die Ausdehnung, die sie bereits genommen hatte, erken- 
nen, so zeigte er andererseits der Regierung die Mittel, die rücksichts- 
los und mit unbeugsamer Entschlossenheit angewandt, das Außerste 
verhüten konnten. Daß die Mehrheitssozialdemokratie, wenn es hart 
auf hart kam, versagen und sich zu ihren sozialistischen Brüdern schlagen 
würde, mußte nunmehr jedem Einsichtigen klar sein. 
Leider änderte die Regierung ihre bisherige Politik des Abwartens, 
der Scheu vor umpfassenden, durchgreifenden Maßnahmen, der Hin- 
neigung zur Sozialdemokratie und Fortschrittlichen Volkspartei nicht. 
Es darf nicht vergessen werden, daß gerade dieser Partei, der 
„Vorfrucht der Sozialdemokratie“, ein erheblicher Teil der Schuld an 
der Verseuchung der Volksstimmung zufällt. Im Norden des Reiches 
arbeitete daran das von jeher allem Deutschtum feindliche „Berliner 
Tageblatt“ 1), im Süden die in verwandtem Geiste geleitete „Frank- 
furter Zeitung“. Besonders aus Baden häuften sich die Klagen über die 
aufreizende Tätigkeit dieses Blattes und seiner Gefolgsorgane „Neue 
Badische Landeszeitung“ (Mannheim) und „Heidelberger Neueste Nach- 
richten“ (Heidelberg). Die zahllosen Erklärungen und Andeutungen, was 
alles kommen könne, wenn nicht das Wahlrecht in Preußen und der 
Friedensvertrag von Brest ausschließlich nach demobratischen Partei- 
grundsätzen gestaltet würde, mußten schließlich ihre Wirkung tun. Da- 
bei wußte man es so einzurichten, daß ein behördliches Einschreiten auf 
Grund des Belagerungszustandes fast stets aussichtslos erschien. 
An dieser Politik, die von dem Bestreben nachträglicher Rechtferti- 
gung und Aufrechterhaltung der der Lage Deutschlands längst nicht mehr 
entsprechenden Friedensresolution vom 19. Juli 1917 geleitet war, be- 
teiligte sich leider auch das Zentrum. 
Nebenher gingen die schärfsten Angriffe gegen die Vaterlands- 
partei, deren Tendenz, wie bekannt, gegen jede Flaumacherei gerichtet 
war. Kein Mittel war zu niedrig, um ihre Versammlungen zu stören. 
Kurz vor ihrem Stattfinden wurde dann durch besonders zugespitzte 
Jeitungsartikel die entsprechende explosive Atmosphäre geschaffen. Aus 
1) Die „J. K.“ (28. 6.) nannte gelegentlich eines Sonderfalles das „Ber- 
liner Tageblatt“: „das unansfändigste und verlogenste Organ Berlins“.
	        
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