Full text: Erinnerungen an die Kriegsjahre im Königlich Preußischen Kriegsministerium. Erster Band. Der Weg zur Revolution 1914-1918. (1)

16 Zweites Kapitel 
Die Massen der sozialdemokratischen Arbeiterschaft selbst taten 
unbeirrt weiter ihre vaterländische Pflicht, sei es mit der Waffe in 
der Hand oder in der Fabrik der Heimat. Streiks kamen zwar vor, 
aber nicht in einem die Kriegswirtschaft schädigenden Maße; wo sich 
Neigung hierfür zeigte, rief der allgemeine Unwille die Widerspenstigen 
sofort zur Arbeit zurück. Den Führern der Gewerkschaften, insbe- 
sondere dem verstorbenen Abg. Legien, gebührt Dank für ihr Wirken 
in dieser Zeit. 
So schien die Lage im Innern im allgemeinen noch keinen Grund 
zur unmittelbaren Besorgnis zu bieten; für den unter die Oberfläche 
Blickenden war gleichwohl Veranlassung genug gegeben, auf der Wacht 
zu sein, nicht nur zu beobachten, sondern zu handeln, die Dinge nicht 
sich entwickeln zu lassen, sondern sie den Weg zu führen, den das 
Staatswohl gebieterisch erheischte. 
2. 
Die „Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft“ 
Das Jahr 1916 bedeutete einen Wendepunkt für die Partei. 
Die seit dem Juni des Vorjahres immer schärfer einsetzende Oppo= 
sition ihres linken Flügels gegen den Gesamtvorstand, der angeblich 
durch seine Politik des 4. August 1914 mit den Parteigrundsätzen auch 
die Interessen des Proletariats verleugne, drängte zum offenen Bruch. 
Dieser erfolgte in der Reichstagssitzung vom 24. März 1916, in der 
der Abg. Haase unter großem Tumult des Hauses die heftigsten An- 
griffe gegen die Regierung und die „Kriegsverlängerer“ richtete. Er 
erklärte, daß er nebst einer Reihe von Gesinnungögenossen nicht mehr 
in der Lage sei, den Etat zu bewilligen. Der Abg. Scheidemann wandte 
sich in schärfster Weise gegen ihn, und die Folge war, daß achtzehn 
Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion unter Führung Haases, 
Dittmanns und Ledebours nach Ausschluß auso der sozialdemokratischen 
Fraktion 1) eine neue Partei, die „Sozialdemokratische Arbeitsgemein= 
1) Dieser Ausschlug aus der Reichstagsfraktion, dem übrigens der des Ab- 
geordneten Liebknecht vorangegangen war, war statutengemäß nicht als Absprechung 
der Fraktionszugehörigkeit selbst, sondern nur der aus dieser entspringenden Rechte 
ausgesprochen worden. Über die Zuständigkeit der Fraktion zum Ausschluß eines 
Mitgliedes waren die Ansichten in der Parteipresse geteilt.
	        
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