44 Viertes Kapitel
Arbeit schnell im Wege der Gesetzgebung durchgeführt werde. Nach
den gewaltigen Leistungen des ganzen Volkes in diesem furchtbaren
Kriege ist nach meiner Uberzeugung für das Klassenwahlrecht in Preußen
kein Raum mehr. Der Gesetzentwurf wird ferner unmittelbare und
geheime Wahl der Abgeordneten vorzusehen haben.“
Fast am gleichen Tage bonstituierte sich in Gotha die neue „Un-
abhängige sozialdemokratische Partei Deutschlands“. 143 Delegierte
nahmen an der Konferenz teil, darunter allein 23 aus Berlin. Haase
und Ledebour wurden Vorsitzende, Dittmann und Frau zietz Sekretäre
der neuen Partei. Die „Unabhängigen“ sagten in ihren Richtlinien,
sie ständen „in grundsätzlicher Opposition zum herrschenden Regierungs-
spstem, zur Regierungspolitik der Reichsregierung und zu der vom
Parteivorstand im Regierungsfahrwasser geführten Politik der nomi-
nellen Partei“. Die Stellung zur Landesverteidigung wurde nicht ge-
klärt. Die Vertreter der Spartakusgruppe traten größtenteils in die
neue Partei unter Vorbehalt weitgehendster Selbständigkeit und Aktions-
freiheit und mit der kaum verhüllten Absicht, die Unabhängige Partei
nur als Rekrutierungsgebiet zu betrachten, sie von innen auszuhöhlen
und so die eigene nicht offizielle Organisation auszubauen. Die Leute
um Haase dagegen hofften, als sie die Spartakusgruppe bei sich auf-
nahmen, diese werde, wie lose die Verbindung mit ihnen auch sei,
doch in der Propaganda gegen die neue Partei behindert sein. Die
Bremer und Hamburger Radikalen schließlich bereiteten die 3. sozial-
demokratische Partei, „die Linksradikale Organisation der Internatio-
nalen Sozialistischen Partei Deutschlands“ vor. In ihrer Wochenschrift
„Arbeiterpolitik“ warnten sie alle Linksradikalen, dem Vorbilde der
Spartakusführer folgend in der Unabhängigen Partei aufzugehen. Die-
ser Sonderorganisation war eine größere Bedeutung vorläufig nicht
vorauszusagen.
Die Regierung aber — von den deutschen Nadikalen im trauten
Verein mit dem Auslande, nicht nur dem feindlichen, als mittelalter-
lich — autokratisch gebrandmarkt — sah diesem allen mit einer Art
von halb uninteressierter, halb wohlwollender Neugier zu. —
Wenn auch die keaiserliche Osterbotschaft bei der Arbeiterschaft
eine günstige Aufnahme fand, so erklärte der „Vorwärts“ doch sofort
unzufrieden, erfreulicher als ein Versprechen würde die Tat selber
sein. Auch die übrige sozialdemokratische Presse bedauerte durchweg,