Der ersie größere Streik 47
auch in dem bisher noch ruhigen Reiche Streikherde zu schaffen, um
der Regierung vor Augen zu führen, daß eine unwiderstehliche Friedens-
bewegung durch das Volk gehe, der — um jeden Preis — Rechnung
getragen werden müsse.
Beim Ausstand gingen beide sozialdemokratische Parteien zusam-
men; die Mehrheitsanhänger schlossen sich den Unabhängigen an, um
sich von diesen in der Gunst der Massen nicht den Rang ablaufen zu
lassen. Sie wußten später den Behörden gegenüber zu erklären, sie
bätten „die Bewegung in der Hand behalten“ wollen, eine seitdem oft
beliebte und — leider — oben immer wieder geglaubte Redensart.
Der Streik selbst dauerte unter Eingreifen der Militärbehörde 1)
nur wenige Tage. Auch über die Art seiner Beendigung ist einiges
zu sagen.
In einer von den Gewerkschaften herbeigeführten Besprechung von
Arbeitervertretern mit dem Staateminister für Volksernährung, Unter-
staatssekretär Michaelis, willigte dieser darin ein, daß künftig ein stän-
diger Arbeiterausschuß beim Berliner Oberbürgermeister in Fragen der
Verteilung mitwirken und vom Ernährungskommissar bei allen Ver-
änderungen in der Nahrungsmittelbemessung der Groß-Berliner Be-
völkerung angehört werden solle. Ferner erreichten die Arbeiter, daß
jede Benachteiligung der Reklamierten wegen ihrer Beteiligung an der
Arbeitsniederlegung unterblieb.
Die Streikenden zeigten sich auch von ihren Erfolgen befriedigt
und nahmen die Arbeit wieder auf.
In Wahrheit waren diese Bemühungen der Regierung Versuche
am untauglichen Objekt, weil sie am Kernpunkt — der politischen
Bedeutung der Bewegung — vorbeigingen. Treffend schrieb hierzu die
„Post“ (20. April 1917): „Uns will scheinen, als sei es die höchste
) Die deutschen Waffen= und Munitionsfabriken wurden unter Leitung des
tatkräftigen Oberst v. Feldmann gestellt. Es wurde u. a. verfügt: Die Arbeit ist
binnen 24 Stunden (bis zum 21. 4. früh 7 Uhr) wieder aufzunehmen. Alle wehr-
pflichtigen Arbeiter, die diesem Befehl nicht nachkommen, gelten, wenn sie nicht
nachweisbar arbeitsunfähig sind, von diesem Zeitpunkt ab als zum Heeresdienst
eingezogen, erhalten Soldatenlöhnung und unterstehen den Kriegsgesetzen. Es ist
verboten, ohne Zustimmung des militärischen Leiters die Arbeitsstätte zu wechseln,
von der Arbeit fernzubleiben, sie niederzulegen, zu verweigern, absichtlich einzu-
schränken oder dazu aufzufordern. Erfolg: Zu dem betreffenden Zeitpunkt waren
Dreiviertel der Arbeiterschaft zur Arbeit angetreten. Die Ausgebliebenen waren
meist Frauen.