Das Hilfsdienstgesetz 125
des Gesetzes die Menge aufzurütteln und den Feinden den einmütigen
Willen des Volkes zu zeigen, alles für das Vaterland zu tun, war gut.
Aber auch hier hatte man, wie so oft, nicht mit den Verhältnissen in
der Heimat gerechnet. Es ist merkwürdig, wie wenig diese im Großen
Hauptquartier bekannt waren; es war dies tief bedauerlich, da diese
Verkennung oft zu unzweckmäßigen Maßnahmen der Obersten Heeres-
leitung führte. Und doch hätte sich dem leicht abhelfen lassen.
An eine debattelose en bloc-Annahme des Gesetzes war nicht zu
denken. Dies konnte man bei der Zusammensetzung des Reichstages
vorhersehen. Eine vorherige Fühlungnahme mit den Parteien war verab-
säumt worden. So konnte die Enttäuschung nicht ausbleiben.
Die Vorlage wurde einem Ausschuß überwiesen, und damit die
gute Absicht der O. H.L. durchkreuzt.
Die nachfolgenden Verhandlungen brachten dann ein Gesetz zu-
stande, das besser unterblieben wäre. Es stärkte die Macht der Arbeiter-
schaft auf Kosten der Unternehmer. Innerpolitisch hat das Gesetz ge-
schadet. Die Sozialbemokratie war mit ihm zufrieden, was sie jedoch
nicht hinderte, gelegentlich noch mehr zu fordern.
Besonders der H 9, der eine 14 tägige Karenz beim Arbeitswechsel
vorsah, bildete mit seiner Beschränkung der Freizügigkeit, die in dieser
Bestimmung liegen sollte, den Ausgangspunkt für die Agitationstätig-
keit der Gewerkschaften. In Wirklichkeit war in dieser 14 tägigen
Karenz bei den hohen Verdiensten der Arbeiter eine Strafe über-
haupt nicht zu erblicken; bei 6 wöchiger Dauer, wie in England,
hätte man schon eher davon reden können. Die Industrie hatte gar
kein Interesse an dieser kurzen Karenzzeit. Diese Bestimmung war
in sich widerspruchsvoll. Während man durch das Gesetz auf der
einen Seite alle Arbeitskräfte Deutschlands bis zum ußersten im
vaterländischen Interesse nutzbar machen wollte, gab man den renitenten
Leuten Gelegenheit, sich durch Wechsel der Arbeitsstelle ohne Abkehr-
schein einen 14 tägigen Urlaub zu verschaffen.
Der Abgeordnete Bauer erklärte in einer öffentlichen Versamm-
lung, daß die Arbeiter durch das Gesetz das Ziel jahrelanger Kämpfe
erreicht hätten. Das war bezeichnend.
In dem Jahresbericht der Christlichen Gewerkschaften heißt es:
„Die Verbesserung der gewerkschaftlichen Konjunktur hängt
ohne Zweifel mit den tief einschneidenden Anderungen zusammen,